Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Was kann Künstliche Intelligenz in der Medizin?

Freitag, 23. August 2019 – Autor: Anne Volkmann
Künstliche Intelligenz in der Medizin nutzt digital vorliegende Informationen, um die Diagnose und Behandlung von Krankheiten zu erleichtern. Bereits heute trägt KI dazu bei, Krankheiten effizienter zu diagnostizieren, Medikamente zu entwickeln und Gene zu editieren.
KI, Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz in der Medizin bietet viele Chancen; den Arzt ersetzen wird sie jedoch noch lange nicht – Foto: ©SergeyBitos - stock.adobe.com

Es ist ein großer Begriff: Künstliche Intelligenz (KI). Doch was bedeutet er eigentlich? Allgemein bezeichnet der Begriff solche Vorgänge, die bisher nur vom menschlichen Verstand vollzogen wurden und nun von Computern durchgeführt werden können. KI-Systeme können dabei große Mengen an Daten schnell berechnen, unter bestimmte Kategorien fassen und anhand dieser Daten sogar dazulernen.

Der Begriff ist jedoch durchaus nicht feststehend, wie Dr. Norbert Reithinger, KI-Forscher vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DKFI), erklärt. Denn unter Künstlicher Intelligenz verstehen viele Menschen Leistungen von Computern, die besonders überraschend oder neuartig sind. Sind sie es nicht mehr, werden sie meist auch nicht mehr als KI bezeichnet.

In der Medizin stellt Künstliche Intelligenz einen stark wachsenden Bereich dar. Sie soll bei der Erstellung von Diagnosen, der Entwicklung von Medikamenten oder der Editierung von Genen helfen. Auch Unterstützungssysteme bei der Rehabilitation oder zur Erleichterung des Alltags von Senioren gehören zu den Bereichen, in denen KI vermehrt eingesetzt wird.

KI bei einigen Diagnosen erfolgreicher als Ärzte

Da KI-Systeme eine große Fülle von Daten sammeln und auswerten können, liefern sie immer exaktere Ergebnisse und unterstützen schon heute ärztliche Entscheidungen. Besonders in der Radiologie kommen sie häufig zur Anwendung. Studien konnten zeigen, dass ihre Trefferquote beim Erkennen von Erkrankungen unter bestimmten Bedingungen sogar besser sein kann als die von Ärzten.

So haben Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), der Universitäts-Hautklinik und des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg einen Algorithmus programmiert, der verdächtige Hautveränderungen digital beurteilen kann. Das Programm ließen die Forscher gegen echte Ärzte antreten. Das Ergebnis: Der Algorithmus war bei der Diagnosestellung erfolgreicher als die Ärzte.

Künstliche Intelligenz kann auch die Früherkennung von Darmkrebs sicherer machen. Das wurde in einer klinischen Studie gezeigt, deren Ergebnisse im Jahr 2018 in der Fachzeitschrift „Annals of Internal Medicine“ vorgestellt wurden. Diagnosen gehören also zu den wichtigsten Anwendungen von KI in der Medizin. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die diagnostischen Informationen bereits digitalisiert vorliegen. Und erst wenn es Tausende konkreter Beispiele gibt, können die Algorithmen zum Einsatz kommen.

Beispiele für Bereiche, wo Künstliche Intelligenz jetzt schon zum Einsatz kommt, sind unter anderem die Diagnose von Lungenkrebs oder Schlaganfällen auf der Basis von CT-Scans und die Beurteilung des Risikos eines plötzlichen Herztodes oder anderer Herzerkrankungen durch Elektrokardiogramme und Herz-MRT-Aufnahmen. Auch die Klassifizierung von Hautläsionen anhand von Bildern und das Auffinden von Indikatoren für eine diabetische Retinopathie gehören zu den Bereichen, in denen KI zu Anwendung kommt.

Entwicklung von Medikamenten beschleunigen

Ebenfalls eingesetzt wird Künstliche Intelligenz in der Entwicklung von Medikamenten. Hier soll sie dazu beitragen, die analytischen Vorgänge in der Arzneimittelentwicklung effizienter (und damit unter Umständen auch kostengünstiger) zu gestalten. Dabei kommt KI bei mehreren Schritten zu Einsatz.  

Um ein Medikament zu entwickeln, muss der biologische Ursprung einer Krankheit verstanden werden sowie mögliche Targets (meistens Proteine) ausfindig gemacht werden, um eine geeignete Behandlung zu ermöglichen. KI-Systeme eignen sich hier gut, alle verfügbaren Daten in kurzer Zeit zu analysieren und sogar geeignete Zielproteine zu finden.

Ein nächster Schritt ist dann, eine Verbindung finden, die mit dem Zielmolekül auf gewünschte Weise interagieren kann. Dafür muss eine große Anzahl potenzieller Verbindungen auf ihre Affinität hin untersucht werden – ein Prozess, der, wenn Menschen ihn durchführen, sehr lange dauern kann. Computer können hingegen lernen, die Eignung von Molekülen anhand struktureller Daten vorherzusagen und dann in relativ kurzer Zeit Millionen potenzieller Moleküle daraufhin zu durchleuchten. Auch beim Auffinden von Biomarkern und sogar bei der Identifizierung von geeigneten Testpersonen kann Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen.

Potenziale in der personalisierten Medizin und der Genbearbeitung

Nicht alle Patienten reagieren auf ein Medikament gleich, doch welche Faktoren den Behandlungserfolg bestimmen, ist schwer herauszufinden. Auch hier können KI-basierte Systeme ausgrund der Fülle von Daten aus bisherigen Therapien schneller herausfinden, welcher Patient auf welche Behandlung ansprechen könnte.

Auch die Genbearbeitung kann KI erleichtern. Besonders das CRISPR-Cas9 System zur Genom-Editierung stellt einen großen Fortschritt dar, DNA kosteneffizient und präzise zu editieren. Die Technik beruht auf so genannten short guide RNAs (sgRNAs), um eine bestimmte Stelle auf der DNA auszuwählen und zu editieren. Doch die guide-RNA kann zu mehreren DNA-Positionen passen, was wiederum zu unerwünschten Nebenwirkungen führen kann.

Die sorgfältige Auswahl der guide-RNA mit den am wenigsten gefährlichen Nebenwirkungen ist daher eine der größten Herausforderungen bei der Anwendung des CRISPR-Systems. Nachweislich liefern hier Machine Learning Modelle die besten Ergebnisse, und das wiederum kann die Entwicklung von guide RNAs für jeden Abschnitt der menschlichen DNA stark beschleunigen.

Was KI in Zukunft leisten könnte - oder auch nicht

Zukunftsmusik ist noch, dass es durch KI eines Tages gelingen könnte, Krankheiten gar nicht entstehen zu lassen. Die Idee wäre eine Software, die alle Daten eines Menschen wie genetische Veranlagung, sportliche Aktivitäten, Ernährung, Sozialverhalten und anderes analysiert und miteinander in Beziehung setzt, um dann spezielle Risiken zu identifizieren und entsprechende Empfehlungen zu geben.

Ebenfalls nicht zu erwarten ist, dass Künstliche Intelligenz bald die Ärzte ersetzen wird. Die Ergebnisse der KI-basierten Datenanalysen müssen – zumindest heute und in absehbarer Zeit – von einem Mediziner überprüft werden, denn auch die komplexesten Diagnosesysteme sind fehleranfällig und müssen dem menschlichen Blick unterzogen werden.

Foto: © SergeyBitos - Fotolia.com

Hauptkategorie: Gesundheitspolitik
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: E-Health , Gesundheitssystem

Weitere Nachrichten zum Thema Künstliche Intelligenz

Aktuelle Nachrichten

Mehr zum Thema
Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin