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Schilddrüsenunterfunktion bei Kindern: Medikamente oft nicht nötig

Montag, 17. Juni 2019 – Autor: anvo
Bei Schilddrüsenunterfunktion droht Kindern oft eine Übertherapie. Darauf machen die Fachgesellschaften DDG und DGE aufmerksam. Häufig sei eine Therapie mit Medikamenten gar nicht nötig.
Schilddrüsenunterfunktion bei Kindern

Eine Schilddrüsenunterfunktion muss nicht immer mit Medikamenten behandelt werden – Foto: ©phuangphech - stock.adobe.com

Auch Kinder können an einer Unterfunktion der Schilddrüse leiden. Diese ist immer ernst zu nehmen, denn sie kann die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen immens beeinträchtigen. Ein Mangel an Schilddrüsenhormonen kann über eine Blutanalyse jedoch früh erkannt und durch die Gabe des entwicklungsrelevanten Hormons LT4 ausgeglichen werden.

Grundsätzlich sei es daher erfreulich, dass Kinder und Jugendliche immer häufiger auf auffällige Schilddrüsenwerte hin untersucht werden, wie die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) im Vorfeld einer gemeinsamen Pressekonferenz betonen. Doch die Tests führen den Gesellschaften zufolge auch vermehrt dazu, dass Kinder die Hormone fälschlicherweise erhalten – etwa, weil die Funktion ihrer Schilddrüse nur vorübergehend oder nur leicht beeinträchtigt ist.  

Schilddrüsenunterfunktion kann ernsthafte Folgen haben

Müdigkeit, Antriebslosigkeit oder Übergewicht – es sind sehr unspezifische, auch in anderem Zusammenhang keineswegs seltene Symptome, mit denen sich eine Schilddrüsenunterfunktion bei Kindern und Jugendlichen bemerkbar macht. Ärzte sehen sich daher häufig veranlasst, die Schilddrüsenwerte ihrer jungen Patienten zu überprüfen. „Aus Sorge um die Entwicklung der Kinder sind diese Tests auch gerechtfertigt“, erklärt Professor Dr. med. Heiko Krude, Direktor des Instituts für Experimentelle Pädiatrische Endokrinologie an der Charité–Universitätsmedizin Berlin.

Denn für Kinder und Jugendliche stellt eine Schilddrüsenunterfunktion eine ernsthafte Gefahr dar: Tritt die Hormonstörung bereits im Kindesalter auf, können sich die geistige und sprachliche Entwicklung sowie das körperliche Wachstum verzögern. Bei einer Erkrankung im Jugendalter entwickeln sich oft Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen.

Nicht immer sind Medikamente notwendig

Als wichtigster Blutwert zur Bestimmung einer Schilddrüsenunterfunktion gilt der so genannte TSH-Wert. TSH steht für Thyreoidea-stimulierendes Hormon oder Thyreotropin. „Dieses Hormon regt in der Schilddrüse die Bildung von LT4 und LT3 an“, erläutert Professor Matthias M. Weber, Mediensprecher der DGE. Nur wenn die Schilddrüse diese wichtigen Hormone in ausreichender Menge produziert, werde die TSH-Produktion über einen Rückkopplungsmechanismus gedrosselt. Arbeitet die Schilddrüse jedoch nicht richtig und stellt zu wenig LT4 und LT3 her, versuche der Körper, über eine zunehmende TSH-Produktion gegenzusteuern.

Dennoch weist nicht jeder erhöhte TSH-Wert auf eine echte Schilddrüsenunterfunktion hin. Das TSH wirkt auf die Schilddrüse mit dem Ziel, die Bildung von T4 und T3 zu stimulieren. Häufig liegen die eigentlich krankheitsrelevanten Werte für LT4 und LT3 oft im Referenzbereich – trotz auffälligem TSH. Eine Hormonbehandlung ist dann unnötig. „Dennoch wird meist allein aufgrund des erhöhten TSH-Wertes eine Therapie mit LT4 eingeleitet“, kritisiert Krude.

Warnung vor Übertherapie bei Schilddrüsenunterfunktion

Für die Kinder und Jugendlichen sei dies in mehrfacher Hinsicht schädlich. Zum einen müssten sie die tägliche Einnahme von Tabletten in ihren Tagesablauf einplanen, zum zweiten werde das Gesundheitsbewusstsein der Jugendlichen gestört. In einer ohnehin schwierigen Phase der Selbstwahrnehmung empfänden sie sich als krank, obwohl es dafür keinen Grund gebe. Nicht zuletzt bestehe auch das Risiko, durch die Hormongaben eine Schilddrüsenüberfunktion herbeizuführen.

Krude plädiert daher dafür, einen leicht erhöhten TSH-Wert nach drei Monaten, einen deutlich erhöhten Wert nach sechs Wochen erneut zu kontrollieren – zunächst ohne eine Behandlung einzuleiten. Steigen die Werte in dieser Zeit nicht weiter an, empfiehlt der erfahrene Pädiater lediglich eine weitere Kontrolle. „Große Studien zeigen jedoch, dass der TSH-Wert in der Zwischenzeit meist spontan wieder im Referenzbereich liegt“, beruhigt er.

Foto: © phuangphech - Fotolia.com

Hauptkategorien: Medizin , Prävention und Reha
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