COVID-19: Mediziner warnen vor schweren Folgen für das Gehirn

Die Spätfolgen von COVID-19 sind noch gar nicht absehbar, sagen Experten. Möglich sind nicht nur Lungenprobleme, sondern auch bleibende Hirnschäden. – Foto: ©Yakobchuk Olena - stock.adobe.com
Zu Beginn der Corona-Pandemie waren Mediziner davon ausgegangen, dass diejenigen, die eine COVID-19-Erkrankung überleben, wieder ganz gesund werden. Doch es mehren sich die Anzeichen, dass COVID-19 zu schweren und bleibenden Folgeschäden führen kann. Dazu gehören anhaltende Atem- und Lungenprobleme, aber auch schwere Schädigen der Blutgefäße und des Gehirns. Auch Monate später ist offenbar das Risiko für Thrombosen, Lungenembolien, Herzinfarkt und Schlaganfall erhöht.
COVID-19 kann zu Entzündungsprozessen im Gehirn führen
„Vermutlich ist das Ganze auf einen Schaden des Endothels, was die Gefäße auskleidet, zurückzuführen durch das Virus“, erklärt Ulrike Protzer von der Technischen Universität München. Das führe dann dazu, dass sich dort die Blutplättchen ansetzen, um den Schaden zu reparieren. Kommt es zu einer Überreaktion, kann eine Thrombose entstehen.
Mittlerweile vermuten Mediziner auch, dass Entzündungsprozesse zu den Verstopfungen der Blutgefäße führen. Wie lange sie anhalten, ist noch nicht klar. Manche Patienten berichten über lang andauernde Kreislaufprobleme, andere über Erschöpfungszustände, die noch Monate nach der Erkrankung anhalten. Auch von Kopfschmerzen oder einem verminderten Geruchs- oder Geschmackssinn wird berichtet.
Schwere neurologische Komplikationen möglich
Wie oft es zu neurologischen Schäden in Folge von COVID-19 kommt, ist noch nicht klar. Einer Studie von Forscher der Universität Liverpool zufolge waren bis Mitte Mai weltweit gut 900 Fälle von neurologischen Komplikationen bekannt – darunter über hundert schwerwiegende Erkrankungen wie Gehirnhautentzündungen oder das sogenannte Guillain-Barré-Syndrom, bei dem Betroffene an Lähmungen leiden.
Hirnschäden auch schon bei leichten Verläufen?
Neurologen des University College in London hatten zudem im Fachmagazin „Brain“ berichtet, dass das Coronavirus bereits bei Patienten mit nur leichten Symptomen oder bei Genesenen Hirnschäden verursachen kann. Diese würden aber meist spät oder gar nicht erkannt werden.
Zuvor hatten Forscher um Dr. Michael Zandi, leitender Autor der Studie, mehr als 40 Covid-19-Patienten untersucht und bei einigen von ihnen eine akute demyeliniserende Enzyphalomyelitis (ADEM) festgestellt. Hierbei handelt es sich um eine entzündliche Krankheit, die zur degenerativen Zerstörung des zentralen Nervensystems führt.
Folgen ähnlich wie bei Multipler Sklerose
„Die Art und Weise, wie Covid-19 das Gehirn attackiert, haben wir bei anderen Viren noch nie zuvor gesehen“, so Zandi. Besonders ungewöhnlich seien vor allem die massiven Hirnschädigungen, die selbst bei Patienten mit einer leichten Corona-Symptomatik auftrete.
Bei insgesamt zwölf der untersuchten Patienten diagnostizierten die Experten eine Entzündung des zentralen Nervensystems, bei zehn eine vorübergehende Gehirnerkrankung mit Delirium oder Psychose. „Biologisch gesehen hat ADEM einige Ähnlichkeiten mit der Multiplen Sklerose, aber sie verläuft schwerer und tritt in der Regel nur einmal auf“, erklärt Zandi. Bei einigen Patienten werde eine langfristige Behinderung zurückbleiben, andere werden sich gut erholen, so der Studienautor.
Abschließende Bewertung noch nicht möglich
Für eine abschließende Bewertung, ob und wie stark es auch bei leichten Verläufen zu Hirnschäden kommen kann, ist es Experten zufolge dennoch zu früh. Um entsprechende Verläufe zu beobachten, hat das Universitätsklinikum München in Großhadern nun eine Anlaufstelle für Patienten mit milden Covid-19-Verläufen eingerichtet.
„Wie bei jeder Erkrankung, die neu ist und die wir noch nicht genug verstanden haben, muss man gut hingucken, was in den nächsten Monaten und Jahren passieren wird“, erklärt Professor Matthias Klein von der Abteilung für Neurologie in Großhadern. Das könne man aktuell noch in keiner Weise abschätzen.
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