Wer Zucker in Maßen zu sich nimmt, schadet seiner Gesundheit in der Regel nicht. Das erklären Experten der Ernährungsfachgesellschaft Society of Nutrition and Food Science (SNFS) mit Sitz an der Universität Hohenheim in Stuttgart. Ungesund ist demnach nur der übermäßige Zuckerkonsum. Wer den Zucker in seiner Nahrung reduzieren möchte, sollte zudem am besten weniger zuckerhaltige Lebensmittel zu sich nehmen. Süßstoffe als Zuckerersatz stellen hingegen nur die zweitbeste Lösung dar – auch weil ihre Wirkungen noch weitgehend unerforscht sind. Über das Thema „Wo Mythen und Fakten weit auseinanderliegen: Zucker, Zuckeralkohole und Süßstoffe“ diskutierten Forscher im Rahmen der Veranstaltungsreihe „SNFS Dialog“ im Februar 2020 an der Charité in Berlin.
Hauptproblem Kalorienzufuhr
Vor allem der in Lebensmitteln versteckte Zucker kann ein Problem darstellen, so die Forscher der SNFS. Einen Ausweg scheinen zunächst Süßungsmittel zu bieten, doch das ist nur die halbe Wahrheit. „Auch Süßungsmittel sind gesundheitlich nicht unumstritten“, erklärt Professor Jan Frank, Ernährungswissenschaftler an der Universität Hohenheim und Vorsitzender der SNFS. „Um Zucker und seine Alternativen ranken sich viele Mythen, die bisweilen von den Fakten weit entfernt sind“, so der Experte.
„Als Kernproblem beim Zuckerkonsum stellt sich – neben seiner Karies-fördernden Wirkung – die Kalorienzufuhr heraus“, betont Professor Hannelore Daniel vom Lehrstuhl für Ernährungsphysiologie an der TU München. Die Produktgruppe der gesüßten Getränke sei dabei besonders problematisch.
Ist Zucker per se schädlich?
Dennoch sei Zuckerkonsum nicht per se schädlich, so die Wissenschaftlerin. „Die metabolischen Folgen des Konsums von Saccharose, Glucose und Fructose sind nur bei einer insgesamt hyperkalorischen Ernährungsweise zu belegen, wenn man also mehr Kalorien zu sich nimmt als man benötigt.“ Würden dagegen die Zucker isokalorisch bei bedarfsdeckender Kalorienzufuhr ausgetauscht – beispielsweise gegen Fett mit ebenso viel Kalorien – gäbe es keine gesundheitsschädlichen Effekte.
PD Dr. Anne Christin Meyer-Gerspach von der St. Clara Forschung AG in Basel warnt jedoch: „Ein hoher Zuckerkonsum erweist sich als direkt gesundheitsschädigend für diverse Organsysteme und ist mitverantwortlich für Karies, Übergewicht, metabolisches Syndrom mit beeinträchtigter Glukosetoleranz bis zum Diabetes mellitus, Blutfettstörungen, Bluthochdruck, Leberverfettung und Herz-Kreislauferkrankungen.“ Ihrer Meinung nach sollte ein hoher Zuckerkonsum daher grundsätzlich vermieden werden.
Wirkung von Süßstoffen kaum erforscht
Um zu Zuckerersatzstoffen zu raten, seien deren Effekte jedoch noch zu wenig erforscht, so die Expertin: „Es fehlen zum Teil Humanstudien und insbesondere Langzeitstudien. Entscheidend ist aber, dass nicht alle Zuckeralternativen gleich wirken und hinsichtlich ihres Effekts auf beispielsweise den Stoffwechsel und die Darmgesundheit gesondert beurteilt werden müssen. Jede süß schmeckende Substanz besitzt ein einzigartiges Wirkprofil – es geht nun darum, den metabolen Effekt jeder einzelnen Substanz zu untersuchen.
Geschmackliche Vorlieben langsam umprogrammieren
Ein entscheidender Punkt beim Thema Zucker ist die Gewöhnung an den süßen Geschmack, was die Nachfrage nach süßen Lebensmitteln steigert. „Das Ziel muss sein, nicht nur den Zucker in der Nahrung zu reduzieren, sondern vor allem den Verbrauchern ihre Vorliebe für süßen Geschmack abzugewöhnen“, so Meyer-Gerspach. „Dann kann man den Zucker mit einer breiten Palette von unterschiedlichen süß schmeckenden Substanzen ersetzen und dabei vermehrt auf natürlich vorkommende, gesündere Zuckerersatze wie Erythritol und Xylitol zurückgreifen.“
Dass dieser Weg nicht einfach ist, hat ein Hohenheimer Forschungsteam bereits vor einigen Jahren festgestellt: Auf ein zu schnelles und zu deutliches Reduzieren des Zuckers reagieren die Geschmacksnerven demnach negativ und signalisieren dem Körper, dass das Produkt nicht schmecke. Die meisten Menschen nehmen daher eine deutliche Reduktion der Geschmacksstoffe kaum an und sollten langsam und schrittweise daran gewöhnt werden.
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