Hilfe statt Kontrolle: Kinderschutz benötigt gegenseitiges Vertrauen
Im Juni 2017 hat der Bundestag Neuregelungen zum Jugendhilferecht beschlossen, die nach Meinung der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) eine Abkehr der bisher formulierten Hilfeorientierung darstellt, bei der Familien als Mitgestalter eines Hilfe- und Unterstützungsprozesses verstanden werden. Die derzeit vorgesehenen Neuregelungen, die allerdings noch die Zustimmung des Bundesrats benötigen, hebeln nach Ansicht der DGSF die bewährte Haltung „Schutz durch Hilfe“ aus. Es bestehe die Gefahr, Kinderschutz zu einer neuen Meldekultur zu verkürzen.
Systemische Unterstützung bindet Eltern ein
Auch für die hilfebedürftigen Kinder sei es in der Regel wichtig, die Eltern in den Unterstützungsprozess einzubinden. Familien, in denen die Jugendämter eine Notwendigkeit zum Eingreifen aus Kinderschutzgründen sehen, befinden sich in den allermeisten Fällen in einer lang andauernden Überforderungssituation, so der Fachverband in seinem Plädoyer für die gesetzliche Verankerung eines hilfeorientierten und kooperativen Kinderschutzes. Die Notwendigkeit von Inobhutnahmen entstehe in der Regel aus biographisch bedingten Belastungssituationen, aus eigenen Traumata der Eltern sowie aktuell schwierigen Lebenssituationen, zum Beispiel einem Leben in Armut.
Ein systemischer Kinderschutz sei hilfeorientiert und setze in diesem Zusammenhang insbesondere auch bei den Eltern an, damit sie die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen und die Grenzen in der Familie neu gesetzt sowie die verloren gegangenen Ressourcen wieder aufgebaut werden können. Hilfreich sei ein respektvoller, würdigender und achtsamer Blick auf die Potentiale aller Familienmitglieder. Sollte eine Trennung der Kinder von ihren Eltern notwendig werden, müsse es darum gehen, mit den Eltern daran zu arbeiten, dass die Kinder die „Erlaubnis“ bekommen, sich an einem anderen Lebensort gut entwickeln zu dürfen.
Familien müssen den Helfern vertrauen können
„Ein systemisch-hilfeorientierter Kinderschutz, der auch Berufsgeheimnisträger wie beispielsweise Ärztinnen und Ärzte mit einschließt, gelingt nur über persönliche Kontakte zu Eltern und Kindern, mit dem Angebot von Hilfen und mit einer transparenten Kommunikation. Um Vertrauen in Helfersysteme zu erhalten, müssen Eltern wissen, wenn Informationen über ihre Familiensituation weitergeben werden“, betont DGSF-Vorsitzender Dr. Björn Enno Hermans. Die DGSF plädiert dafür, einen Netzwerkaufbau für den Kinderschutz für Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen gesetzlich zu verankern und diesen – wie es auch bei den „Frühen Hilfen“ der Fall ist – über einen Bundesfonds finanziell auszustatten.
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