Das „Böse“ im Menschen – Was antisoziale Persönlichkeiten eint
Ob es „das Böse“ überhaupt gibt, ist unter Psychologen und Philosophen umstritten. Doch ohne Zweifel gibt es bestimmte Persönlichkeitstypen, die antisoziale Tendenzen haben, egoistisch und rücksichtlos handeln und dabei nicht einmal ein schlechtes Gewissen haben. Zu diesen Persönlichkeiten gehören unter anderem Egoisten, Narzissten, Psychopathen oder Sadisten. Psychologen aus Ulm, Landau und Kopenhagen konnten nun zeigen, dass diese Persönlichkeitstypen vieles gemeinsam haben. Bezeichnet wird dieser gemeinsame Kern von ihnen als der „dark factor“ (D-Faktor) der Persönlichkeit.
„Dark factor“ als Grundkonzept für problematische Persönlichkeiten
Beim D-Faktor handelt es sich um ein Konzept, das Menschen beschreibt, die eine extreme Form der individuellen Nutzenmaximierung betreiben und dabei bereitwillig Schäden für andere in Kauf nehmen oder sogar absichtlich herbeiführen. Die Personen neigen zudem dazu, dieses Verhalten vor sich selbst und vor anderen zu rechtfertigen.
„Kernbestandteil dieses dunklen Faktors der Persönlichkeit ist ein übertriebener Egoismus, der negative Auswirkungen auf andere oder die Gesellschaft im Allgemeinen hat. Dieser wird begleitet von Überzeugungen, die Schuldgefühle, Gewissensbisse und moralische Skrupel verhindern“, erklärt Professor Morten Moshagen, Leiter der Abteilung psychologische Forschungsmethoden an der Universität Ulm. Gemeinsam mit Professor Benjamin Hilbig von der Universität Koblenz-Landau und Professor Ingo Zettler von der Universität Kopenhagen hat Moshagen die aktuelle Studie durchgeführt.
Hoher D-Faktor erhöht auch Risiko für Kriminalität und Gewalttätigkeit
Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler neun verschiedene Persönlichkeitseigenschaften. Dazu zählten Egoismus, Gehässigkeit, Machiavellismus, moralische Enthemmung, Narzissmus, Psychopathie, Sadismus, Selbstbezogenheit und übertriebene Ansprüchlichkeit. Die Forscher fanden dabei heraus, dass sich praktisch alle diese Eigenschaften auf den D-Faktor als dunklen Persönlichkeitskern zurückführen lassen.
Praktisch bedeutet dies, dass beispielsweise Menschen mit einer hohen Narzissmus-Tendenz mit großer Wahrscheinlichkeit auch ausgeprägte machiavellistische und psychopatische Persönlichkeitszüge zeigen. „Außerdem ist bei Menschen mit einem starken D-Faktor statistisch gesehen die Wahrscheinlichkeit hoch, kriminell oder gewalttätig zu werden oder anderwärtig gegen soziale Regeln zu verstoßen“, so die Forscher.
Forscher untersuchten Verhalten in verschiedenen Tests
Für die vierteilige Untersuchung wurden insgesamt mehr als 2500 Personen befragt. Die Forscher haben dabei die Studienteilnehmer mit einem umfangreichen Fragenkatalog konfrontiert, um besondere Persönlichkeitszüge strukturiert erfassen zu können. Außerdem wurden Verhaltensexperimente durchgeführt wie das so genannte Diktatorspiel, bei dem die Teilnehmer Geld an sich selbst und unbekannte Mitspieler verteilen können. Die Ergebnisse dieses Spiels gelten als Maß für egoistisches beziehungsweise altruistisches Verhalten. In einem weiteren Verteilungsexperiment hatten die Probanden zudem die Gelegenheit, durch aktives Lügen zusätzlichen Profit zu machen. Der wissenschaftliche Sinn dieses Spiels ist es, problematische Verhaltensweisen wie Unehrlichkeit zu erfassen.
Egoismus und Unehrlichkeit eint Menschen mit hohem D-Faktor
„Der D-Faktor ist ein guter Indikator für die Vorhersage von egoistischem und unehrlichem Verhalten und weitaus aussagekräftiger als es die spezifischeren Eigenschaften wie Narzissmus sind“, so Zettler. Besonders interessant war für die Forscher auch die Analogie zum sogenannten „g-Faktor“, einem Konzept des britischen Intelligenzforschers und Psychologen Professor Charles Spearman. Dieser „general factor of intelligence“ erklärt, dass Menschen, die gute Ergebnisse in einer bestimmten Form von Intelligenztests zeigen, häufig auch bei anderen Arten von Intelligenztests gut abschneiden.
„Wie der g-Faktor ist der D-Faktor ein allgemeines Konzept, das verschiedene Ausprägungen haben kann“, erläutert Professor Hilbig. Das bedeutet, dass sich ein hoher dark factor in ganz verschiedenen problematischen Verhaltensweisen und Persönlichkeiten äußern kann. „Zugespitzt formuliert könnte man sagen, dass, wenn ein Chef genüsslich seine Mitarbeiter herunterputzt, die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass er auch seine Geschäftspartner ausnutzt, Steuern hinterzieht oder seine Frau betrügt“, behauptet Ulmer Psychologe Morten Moshagen. Veröffentlicht wurde die aktuelle Studie in der Fachzeitschrift Psychological Review.
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