Probiotika – Was ist dran am Hype um die guten Bakterien?

Probiotika werden mittlerweile zur Prävention und Behandlung verschiedenster Erkrankungen eingesetzt - ihre Wirkung ist jedoch nicht immer ganz klar. – Foto: ©Heike Rau - stock.adobe.com
Um Probiotika gibt es mittlerweile einen regelrechten Hype. In den verschiedensten Zusammensetzungen werden sie angeboten und sollen gegen eine Reihe von Erkrankungen helfen - von der bakteriellen Vaginose bis hin zu Depressionen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Probiotika als „lebende Mikroorganismen, die – in ausreichender Menge verabreicht – dem Wirtsorganismus einen gesundheitlichen Nutzen bringen“. Häufig wird der Begriff Probiotika für Nahrungsergänzungsmittel verwendet, die solche „guten“ Bakterien enthalten. Oral eingenommen sollen sie in den Darm gelangen, wo sie ihre positive Wirkung entfalten können. Eine gestörte Zusammensetzung der Darmflora wird mittlerweile als Auslöser oder Verstärker verschiedenster Krankheiten diskutiert.
Nachweislich positiv wirken Probiotika bei entzündlichen Darmerkrankungen, bakterieller Vaginose sowie zur Stärkung des Immunsystems. Am besten belegt ist die Wirkung nach einer Antibiotikatherapie. Hier können Probiotika die normale Darmflora wiederherstellen und dazu beitragen, Durchfall zu verhindern. Neben den bekannten Möglichkeiten suchen Forscher nach immer mehr Einsatzgebieten, bei denen Probiotika ihre positiven Wirkungen entfalten könnten. So konnten Wissenschaftler der University of South Florida zeigen, dass die Gabe von Probiotika bei Säuglingen mit einer erblichen Veranlagung für Diabetes Typ 1 das Erkrankungs-Risiko verringerte. Als Wirkmechanismus wird vermutet, dass Probiotika die Bildung von Inselzell-Antikörpern verhindern.
Wirkung von Probiotika bei Depressionen?
Auch bei leichten und mittelschweren Depressionen sollen probiotische Mittel helfen können. Dieses Fazit zogen Mediziner aus Singapur und dem britischen Nottingham in einer Meta-Analyse. Unter anderem hatte eine britische Studie mit 132 älteren Probanden ergeben, dass der dreiwöchige Konsum von Joghurtdrinks mit Laktobazillen Verstimmungen linderte. In einer französischen Studie nahmen depressive Symptome sowie Ärger und Feindseligkeit ab, nachdem die Probanden 30 Tage lang Laktobazillen und Bifidobakterien verabreicht bekamen. Bei Menschen mit normalem Stimmungsniveau besserte sich dieses allerdings nicht weiter, wenn sie Probiotika einnahmen.
Seit kurzem wird auch die Wirkung von Probiotika bei Osteoporose diskutiert. Tierexperimentelle Studien konnten zeigen, dass die Darmflora die Knochendichte beeinflussen kann.
Wirkmechanismus unklar
Der große Vorteil von Milchsäurebakterien ist, dass sie in der Regel und bei maßvollem Gebrauch keine Nebenwirkungen hervorrufen. Allerdings ist noch weitgehend unklar, wie sie wirken. Hinsichtlich der Depressionen wird vermutet, dass Probiotika über die sogenannte Darm-Hirn-Achse und dabei speziell über den Vagusnerv wirken. Auf diese Weise könnten Darmbakterien Stressreaktionen im Gehirn dämpfen.
Dass die Gabe von Probiotika eine überaktive Stressachse beruhigen kann, wurde im Tiermodell schon häufiger nachgewiesen. Zudem wird ein Zusammenhang zwischen Immunsystem, Entzündungen und Depressionen immer deutlicher.
Forscher warnen vor übermäßigen Gebrauch
Allerdings weiß man bisher nicht, welche Bakterien in welcher Dosis am meisten Erfolg versprechen. Einige Forscher betonen auch, dass Menschen, die eine gesunde Darmflora haben, keine Probiotika brauchen. Unter Umständen können die Mittel sogar schaden. So fanden Forscher um Satish Rao von der Augusta University heraus, dass die „guten“ Keime in falscher Zusammensetzung oder zu hoher Menge durchaus schwerwiegende Nebenwirkungen haben.
Die Wissenschaftler hatten 30 Personen untersucht, die zum Teil unter Blähbauch, Magenschmerzen und Flatulenzen litten, aber auch mentale Symptome wie Verwirrtheit und Konzentrationsproblemen aufwiesen. Sie stellten fest, dass bei denjenigen, die unter solchen Beschwerden litten, im Dünndarm riesige Kolonien an Lactobacillus-Bakterien im zu finden waren, welche wiederum große Mengen an D-Milchsäure produzierten. Bei den Vergleichspersonen ohne Beschwerden war dies nicht der Fall.
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