In Deutschland leiden rund 800.000 Kinder und Jugendliche an einer Verkrümmung der Wirbelsäule (Skoliose). Ab einem bestimmten Grad der Verformung drohen den Betroffenen erhebliche Gesundheitsschäden, weil Brust- und Bauchhöhle nicht ausreichend Platz für die inneren Organe bieten. Jährlich müssen daher rund 230 Kleinkinder operiert werden. Bislang hieß das für die Patienten, dass sie zahlreiche Operationen über sich ergehen lassen mussten. Da die Wirbelsäule erst im 12. bis 14. Lebensjahr ausgewachsen ist, mussten Kinder je nach Alter 16- bis 18-mal operiert werden.
Nun wurde an der Charité in Berlin erstmals ein mitwachsendes Wirbelsäulenimplantat zur Korrektur der kindlichen Skoliose eingesetzt. Das System kann schwere Formen der Wirbelsäulenverkrümmung begradigen und soll den betroffenen Kindern weitere Operationen ersparen.
Skoliose: Wirbelsäule kann in eine gesunde Form hineinwachsen
Bei der Operation wird zunächst der Scheitel der Wirbelsäulenkrümmung, also der Ursprung der Skoliose, dreidimensional korrigiert. Dies geschieht mittels spezieller Instrumente und Stab-Schrauben-Verbindungen. Am oberen und unteren Ende der Krümmung werden in die Wirbelkörper Schrauben eingebracht. Diese enthalten eine Öffnung, durch die der Stab dann gleiten kann. Dadurch wird es der Wirbelsäule ermöglicht, am Stab entlang in einer gesunden Form weiter zu wachsen.
„Der Vorteil ist, dass lange Strecken der Wirbelsäule nicht versteift werden müssen“, erläutert Dr. Michael Putzier, Leiter der Wirbelsäulenchirurgie an der Klinik für Orthopädie an der Charité in Mitte. „Nur im Scheitel der Skoliose werden die Schrauben nach Korrektur der Krümmung verschlossen. Der darin liegende Stab ist unbeweglich und die Krümmung kann nicht wieder zunehmen. Am oberen und unteren Ende wird der Stab in die Öffnungen der Schrauben geschoben, der Stab liegt dann locker darin.“
Ereichterung für die Patienten
Wächst die Wirbelsäule und driften die Wirbelkörper auseinander, bildet der Stab eine Art Gleis, an dem die Wirbelsäule wie auf Schienen wächst. An diesen inneren Schienen kann die wachsende Wirbelsäule entlanggleiten – in ihrer natürlichen Form und ohne Skoliose. Die 4,5 Millimeter dicken Stäbe aus Edelstahl werden vor der Operation anhand der Anatomie des Kindes und der gewünschten Begradigung vom Operateur in die passende Form gebracht. Anschließend wird der Rücken des Kindes alle sechs Monate durch Röntgenaufnahmen überprüft. Das System ist für Kinder zwischen drei und zehn Jahren zugelassen.
Dr. Putzier ist überzeugt: „Mit dem mitwachsenden System müssen die Kinder im Idealfall nur zweimal operiert werden: zur Implantation und nach Beendigung des Wirbelsäulenwachstums. Das ist eine ganz erhebliche Erleichterung für die kleinen Patienten.“
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