Wie schwacher Strom Schlaganfall-Patienten hilft
Zwei Drittel aller Schlaganfall-Patienten leiden auch nach einem Jahr noch an Bewegungsstörungen oder gar Lähmungen. Um die Rehabilitation der betroffen Patienen zu verbessern, setzen Neurophysiologen neuerdings die transkranielle Gleichstromapplikation ein. Bei dem Verfahren wird schwacher Strom in jene Stellen des Gehirns geleitet, die für das motorische Lernen verantwortlich sind.
Transkranielle Gleichstromapplikation als Therapie
Beim Lernen spielen die Botenstoffe GABA und Glutamat eine zentrale Rolle. Diese beeinflussen das motorische Lernen über die Übertragung an den Synapsen im Gehirn. Das trifft auch für das Wiedererlernen von Fähigkeiten zu, die durch einen Schlaganfall verloren gegangen sind. "Experimente zeigen, dass die Freisetzung von GABA vermindert und glutamaterge Aktivität erhöht werden muss, damit Schlaganfall-Patienten neue Fähigkeiten erlernen können", erklärt Professor Dr. med. Michael Nitsche, Oberarzt der Abteilung Klinische Neurophysiologie an der Universitätsmedizin Göttingen. Und genau das schafft die transkranielle Gleichstromapplikation.
Bei dem Verfahren bringen die Neurophysiologen Elektroden an bestimmten Stellen des Schädels nahe dem motorischen und prämotorischen Kortex an. Eine zweite Elektrode befindet sich im Bereich der Stirn. Zwischen beiden fliesst während der Behandlung für zehn bis zwanzig Minuten ein schwacher Strom. "Dadurch steigt die Bereitschaft des Gehirns, neue Inhalte aufzunehmen", erklärt Professor Dr. med. Peter H. Weiss-Blankenhorn, Forschungszentrum Jülich. Die Behandlung sei schmerzlos und würde von den meisten Patienten gut vertragen. Wichtig für den Erfolg sei der Zeitpunkt: "Die transkranielle Gleichstromapplikation sollte zeitgleich zu den Übungen des Physiotherapeuten stattfinden. Erfolgt sie vor den Lernaufgaben, bleibt die Wirkung aus", sagt Nitsche.
Vorteile für Schlaganfallpatienten
"Viele Schlaganfall-Patienten lernen zwar neue Bewegungen, können sie später aber nicht willentlich abrufen", ergänzt Professor Dr. med. Gereon R. Fink vom Zentrum für Neurologie an der Uniklinik Köln. "Denn die Vorstellung einer Bewegung aktiviert das Gehirn in ähnlicher Weise wie dessen Ausführung." So verbessere das mentale Training das motorische Lernen während der Physiotherapie.