Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Wie Ketamin Depressionen ausbremst

Freitag, 2. März 2018 – Autor:
Das Narkosemitel Ketamin kann Depressionen ausbremsen. Forscher haben jetzt herausgefunden, wie das funktioniert.
Ketamin, Narkosemittel, Partydroge, depressionen

Ketamin wirkt gegen Depressionen, indem es bestimmte Neuronen im Gehirn ausbremst – Foto: ©Zerbor - stock.adobe.com

Das als Narkosemittel aber auch als Partydroge bekannte Ketamin hat sich bei der Behandlung von Depressionen als vielversprechend erwiesen. Seine genaue Wirkung auf das Gehirn war bislang unklar. Nun gibt es einen Erklärungsansatz; Das Medikament bremst die Aktivitäten von Nervenzellen in einer erbsengroßen Struktur in der Mitte des Gehirns.

In klinischen Studien wirkt Ketamin viel schneller als gängige Antidepressiva und verbessert die Symptome innerhalb von Stunden statt Wochen. Die Erkenntnis, welches Wirkmuster hinter diesem Effekt steht, könnte zum Kernmechanismus der Depression führen, sagt Studien-Autorin Hailan Hu, Neurowissenschaftlein an der Medizinischen Fakultät der Zhejiang Universität in Hangzhou.

Anti-Belohnungs-Zentrum ist überaktiv

Hu geht davon aus, dass das Ketamin auf eine Region in der Mitte des Gehirns wirkt, die laterale Habenulae, das sogenannte „Anti-Belohnungs-Zentrum“. Diese Region hemmt in der Nähe liegende Belohnungs-Zentren, die beim Lernen nützlich sein können. Immer wenn ein Affe an einem Hebel zieht, bekommt er eine Belohnung. Fällt die Belohnung eines Tages aus, wird die laterale Habenulae die Aktivität der Belohnungsbereiche reduzieren, und der Affe wird in Zukunft weniger wahrscheinlich den Hebel ziehen.

In einer Reihe von Experimenten mit depressiven Mäusen und Ratten fanden die Forscher heraus, dass in einem kleinen Teil der lateralen Habenulae Neuronen überktiv waren und in sehr kurzen Abständen feuerten beziehungsweise sich entluden. Im Gehirn von normalen Ratten betrug der Anteil der schnellfeuernden Neuronen 7 Prozent, bei depressiven Ratten betrug die Anzahl 23 Prozent.

Depressive Mäuse blieben bewegungslos

Bei Mäusen zeigte sich das gleiche Muster: Tiere, die unter Stress gesetzt wurden, erlebten mehr dieser plötzlichen Entladungen („bursts“). Diese schienen depressionsähnliche Zustände zu verursachen. Als die Forscher eine weitere Technik einsetzten, um die Entladungen in der lateralen Habenulae zu erhöhen, verhielten sich die Mäuse noch inaktiver  und blieben etwa bewegungslos, als ihr Behälter mit Wasser gefüllt wurde. Man glaubt, dass diese Art von Verzweiflung den Gefühlen der Hoffnungslosigkeit ähnelt, die bei Depressionen auftreten.

Wenn depressive Mäuse und Ratten Ketamin erhielten, war die Anzahl der sich entladenden Zellen viel geringer, ähnlich der Anzahl bei normalen Tieren. Und selbst als die Forscher die Neuronen dazu zwangen, sich stärker zu entladen, zeigten Tiere, denen Ketamin verabreicht wurde, keine depressionsähnlichen Verhaltensweisen mehr.

Wie Ketamin Depressionen ausbremst

Die Ergebnisse könnten auch erklären, warum Ketamin so schnell wirkt. Durch das sofortige Blockieren beziehungsweise Ausbremsen von „bursts“ in der lateralen Habenulae befreit das Medikament die Belohnungsbereiche von diesen stark  hemmenden Signalen. Dies deutet darauf hin, dass auch andere Medikamente, die „bursts“ reduzieren, Depressionen lindern könnten. Nun muss sich zeigen, ob sich mit dem Ketamin auch langanhaltende Effekte ergeben. Die entsprechende Studie wurde in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.

Foto: zerbor/fotolia.com

Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Antidepressiva

Weitere Nachrichten zum Thema Ketamin

26.11.2020

Psychedelische Substanzen wie LSD oder Ketamin sind illegale Drogen. Doch Menschen mit schwer behandelbaren Depressionen können die Psychedelika (eng. Psychedelics) mitunter helfen. Der Psychiater Prof. Bernhard Baune vom Universitätsklinikum Münster fasst den aktuellen Stand der Forschung zusammen.

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Kliniken
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin