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Wie kann Forschung schneller in die klinische Praxis gelangen?

Donnerstag, 21. Juni 2012 – Autor: Anne Volkmann
Im Schnitt dauert es 15 Jahre, bis ein neues Medikament in die klinische Praxis kommt. Diese Zeit zu verkürzen, ist eines der Ziele der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung.
Forschungsergebnisse sollen schneller in die Praxis kommen

Forschungsergebnisse sollen schneller in die Praxis kommen

Die Zahl der Menschen, die an Volkskrankheiten wie Krebs, Lungen-, Herz-Kreislauf-, Infektions-, Stoffwechsel- oder neurodegenerativen Erkrankungen leiden, ist nach wie vor besorgniserregend hoch und steigt zum Teil noch an. Sie zu bekämpfen und den betroffenen Patienten eine optimale Versorgung zu bieten, ist das Anliegen der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG), die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gegründet wurden. Im Jahr 2009 haben die Deutschen Zentren für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und Diabetesforschung (DZD) ihre Arbeit aufgenommen; 2011 sind die Deutschen Zentren für Lungenforschung (DZL), Herz-Kreislaufforschung (DZHK) und Infektionsforschung (DZIF) sowie das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) dazu gekommen. Das zentrale Anliegen der Zentren ist, die Überführung von Forschungsansätzen in die medizinische Praxis (Translation) zu beschleunigen.

Forschung schneller übertragen

Die Frage, wie Erkenntnisse aus der Forschung schneller zur praktischen Anwendunggelangen, war daher bei der Vorstellung der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung im Rahmen des Innovationsforums auf dem Hauptstadtkongress 2012 eines der wichtigsten Themen. Bei seinem Grusswort betonte der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Dr. Helge Braun, dass in den DZGs "die allerbesten Forscher" mit den "relevanten Gesundheitsthemen" befasst seien. Man sei "sehr optimistisch, dass die Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung bald gute Leistungen zeigen werden". Alle anwesenden Forscher erklärten, dass die Einrichtung der DZGs eine mutige, zukunftweisende und weise Entscheidung des Bundesministeriums war. Auch im Ausland, so wurde betont, stiessen die Einrichtungen auf positive Resonanz.

In den einzelnen Zentren arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus universitären und ausseruniversitären Forschungseinrichtungen interdisziplinär zusammen. Durch die dezentrale Struktur der Zentren behalten alle beteiligten Einrichtungen ihre Autonomie, während gleichzeitig ihre Stärken im Sinne einer optimalen Zusammenarbeit gebündelt werden. Durch diesen integrativen Ansatz sind die Voraussetzungen gegeben, Krankheiten auch aus neuen und ganz verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Professor Werner Seeger, Vorsitzender und Sprecher des Deutschen Zentrums für Lungenforschung, betonte, dass sich durch die Zusammenarbeit verschiedener erstklassiger Institute eine einmalige Chance für die deutsche Forschungslandschaft ergebe. So könne man beispielsweise für neue Forschungen nun die Schnittmenge zwischen verschiedenen Biodatenbanken nutzen.

DZGs streben Zusammenarbeit mit der Industrie an

Im Fokus der Forschungsarbeiten der Deutschen Zentren stehen auch Konzepte für individualisierte Therapien. Professor Otmar D. Wiestler, Sprecher des Deutschen Konsortiums für translationale Krebsforschung, betonte auf dem Innovationsforum, dass die Bedeutung der personalisierten Medizin zunehmen werde. Professor Martin Krönke, Sprecher des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung, machte auf einen weiteren Vorteil der DZGs aufmerksam. Man könne hier Studien durchführen, an denen kein Hersteller Interesse habe, beispielsweise wenn es um die Frage geht, ob bei bestimmten Erkrankungen auch weniger oder kürzer Antibiotika gegeben werden könnten als bisher üblich. Dies sei gerade im Hinblick auf die sich immer weiter ausbreitenden Antibiotika-Resistenzen ein wichtiges Forschungsziel.

Eine effiziente Translationsforschung erfordert auch die Einbindung privater Unternehmen. Die DZGs legen daher einen Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die Kooperation mit Unternehmen und die wirtschaftliche Verwertung ihrer Forschungsergebnisse. Für die Zusammenarbeit mit der Industrie sehen die Leiter der Zentren durchaus noch Verbesserungsmöglichkeiten. So wollen sie eine bessere Organisationsstruktur in den einzelnen Zentren und auch zentrumsübergreifend schaffen. Professor Martin Hrabe des Angelis, Vorstandsmitglied des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung, äusserte die Idee, sogenannte "One-Stop-Agencies" zu schaffen, an die sich die Vertreter der Industrie wenden könnten, um "aus einer Hand" bestimmte Informationen, Beratung und Unterstützung zu erhalten.

Vernetzung der Forschung

Dr. Siegfried Bialojan, Leiter des Europäischen Life Science Center von Ernst & Young in Mannheim, betonte, dass die Deutschen Zentren auch die Möglichkeit böten, die Zusammenarbeit verschiedener Einrichtungen bei der Entwicklung neuer Medikamente zu optimieren. So könnten zum Beispiel Institute, die eher auf die Grundlagenforschung spezialisiert sind, mit Einrichtungen, die grössere Erfahrungen bei klinischen Anwendungsstudien haben, Hand in Hand arbeiten, was insgesamt zu einem zielorientierteren Vorgehen führen würde. Bialojan erklärte auch, dass grössere Vernetzungen schon aus finanzieller Hinsicht nötig seien. Bis zum Jahr 2015 hat das BMBF zwar 700 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Langfristig werden die DZGs aber auch auf private Fördergelder angewiesen sein.

Foto: Helios

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