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Wie Helicobacter-Bakterien den Magen schädigen

Mittwoch, 20. April 2022 – Autor:
Chronische Helicobacter-Infektionen gehören zu den häufigen Ursachen für Magenschleimhautentzündungen und Magenkrebs. Wissenschaftler aus Berlin haben jetzt zeigen können, wie die Bakterien die Magendrüsen verändern und einen Mechanismus aushebeln, der vor Krebswachstum schützt.
Entzündungen der Magenschleimhaut werden oft von Helicobacter-Bakterien ausgelöst. Die chronische Infektion begünstigt Magenkrebs

Entzündungen der Magenschleimhaut werden oft von Helicobacter-Bakterien ausgelöst. Die chronische Infektion begünstigt Magenkrebs – Foto: Foto: dragonxxl – fotolia.com

Bei jedem zweiten Menschen weltweit ist der Magen mit Helicobacter-Bakterien besiedelt. Damit gehören Helicobacter-Infektionen zu den häufigsten chronischen bakteriellen Infektionen. Ohne antibiotische Behandlung kann sich daraus eine Magenschleimhautentzündung entwickeln oder sogar Magenkrebs. Bisher gingen Ärzte davon aus, dass eine Helicobacter-Infektion die Drüsenzellen der Magenschleimhaut direkt schädigt.

 

Neuer Mechanismus entdeckt, der vor Krebswachstum schützt

 

Wissenschaftler der Charité und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin konnten nun zeigen, dass der Zusammenhang noch viel komplexer ist. Demnach haben klassische Entzündungsstoffe, die bei chronischen Helicobacter-Infektionen ausgeschüttet werden, nicht nur eine antimikrobielle Wirkung. Sie beeinflussen offenbar auch die Zellteilung und das Verhalten von Stammzellen im Gewebe.

Anhand von Tiermodellen und Magen-Organoiden identifizierte das Forscherteam einen bis dato unbekannten Mechanismus, der den Magen vor unkontrolliertem Zellwachstum schützt. Dabei handelt es sich um komplexe Interaktionen verschiedener Zellen und Signale, die für die Stabilität des Gewebes sorgen. Dieses Zellschutzprogramm wird bei einer Helicobacter-Infektion jedoch empfindlich gestört. Die Ergebnisse der Arbeit sind soeben in Nature Communications erschienen.

Botenstoffe beeinflussen Drüsenstruktur

„Wir haben herausgefunden, dass die sogenannten Stromazellen, die die Drüsen umgeben, nicht – wie bisher gedacht – nur für die mechanische Stabilität verantwortlich sind. Sie produzieren auch Botenstoffe, die das Verhalten der Drüsen maßgeblich beeinflussen“, erläutert Studienautor Prof. Michael Sigal, Gastroenterologe an der Charité und Arbeitsgruppenleiter am Berliner Institut für Medizinische Systembiologie, das zum MDC gehört.

Einer dieser Botenstoffe ist das „Bone Morphogenetic Protein“ (BMP). Die Berliner Forscher konnten zeigen, dass Stromazellen, die die Drüsenbasis umgeben, den BMP-Signalweg fortwährend unterdrücken und so die Teilung der dortigen Stammzellen anregen. Stromazellen, die direkt an der Drüsenspitze sitzen, aktivieren hingegen den Signalweg und unterbinden damit dort die Zellteilung. Laut den Forschenden ist dieser Einfluss entscheidend für eine stabile Drüsenstruktur.

Helicobacter-Infektion beschleunigt Zellteilung

Ist das Gewebe nun mit Helicobacter-Bakterien infiziert, werden eine Reihe von Endzündungsstoffen wie Interferon-gamma (IFN-γ) ausgeschüttet. Im Zuge dieser Entzündungsreaktion werden vermehrt Botenstoffe produziert, die – wie in der Arbeit gezeigt werden konnte - die Zellteilung der Stammzellen in den Drüsen anregen. Das führt schließlich zur sogenannten Hyperplasie – also dazu, dass sich das Gewebe vergrößert und Krebsvorläufer entstehen können. „Bei einer Gewebeschädigung kann eine schnelle Zellteilung sehr sinnvoll sein, um eine rasche Heilung zu ermöglichen. Bei einer chronischen Entzündung im Zuge einer Helicobacter-Infektion könnte sie jedoch die Entwicklung von Krebsvorläufern begünstigen“, sagt Prof. Sigal.

Die neuen Erkenntnisse seien wichtig für "neue Therapieansätze – sowohl in der Krebsvorsorge als auch in der regenerativen Medizin", so der Charité-Forscher abschließend, und könnten auch für andere Organe als den Magen bedeutsam sein.

Hauptkategorie: Medizin
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