Wie gefährlich ist die neue Corona-Variante BQ.1.1?

Varianten des Coronavirus, die heute absolut dominant sind, können bereits in wenigen Monaten Geschichte sein. – Foto: AdobeStock/PX Media
96 Prozent aller Corona-Fälle in Deutschland werden laut Robert-Koch-Institut (RKI) von der aktuell dominierenden Untervariante BA.5 der Omikron-Hauptvariante verursacht. Dieser Subtyp gilt als vergleichsweise harmlos, die Inzidenzzahlen in Deutschland sinken und das RKI sieht beim Infektionsgeschehen eine „gewisse Entspannung“. Andererseits wissen wir: Das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 war wiederholt gut für Überraschungen.
Neue Corona-Varianten könnten Inzidenz wieder ansteigen lassen
Experten halten es für möglich, dass mindestens eine der gerade neu entstanden Untervarianten die aktuell vorherrschende BA.5-Variante überrunden und bald selbst dominieren könnte. Gemeinsam ist diesen Subtypen des Virus, dass sie trickreich versuchen, die menschliche Immunabwehr auszuhebeln. Im bevorstehenden Winter könnte dies die Infektionszahlen wieder spürbar ansteigen lassen.
Anteil schon bei 13 Prozent? Neue Corona-Varianten breiten sich aus
Dem Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts zufolge hat der Omikron-Subtyp BA.5 nahezu alle anderen Corona-Varianten verdrängt. Gleichzeitig weist der Bericht darauf hin, dass sich neue Sublinien des BA.5-Typs auszubreiten beginnen – insbesondere die Varianten BQ.1 und BQ.1.1. Laut RKI liegt ihr Anteil am Gesamtinfektionsgeschehen bei knapp fünf Prozent.
Nach Einschätzung des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg hinken diese Zahlen des RKI der Realität allerdings hinterher. Eine Berechnung des DKFZ ergab, dass die Variante BQ.1 inzwischen sechs Prozent der Corona-Fälle verursacht und die Variante BQ.1.1 sogar sieben Prozent – beide zusammen lägen dann bereits bei einem Anteil von 13 Prozent.
Prognose: Mehr Infektionen, aber nicht mehr schwere Verläufe
Vor einer schnelleren Verbreitung und einer größeren Bedeutung neuer Untervarianten hat inzwischen auch die europäische Seuchenschutzbehörde ECDC gewarnt. Bereits bis Mitte November oder Anfang Dezember könnten sie der Behörde zufolge vorherrschend werden und zu einem Anstieg der Corona-Fallzahlen führen. Die Deutsche Gesellschaft für Immunologie rechnet angesichts dieser neuen Subtypen wohl mit einer Zunahme der Infektionen – nicht aber mit einem Anstieg schwerer Krankheitsverläufe.
Neue Untervarianten entziehen sich dem Immunsystem
Die Europäische Seuchenschutzbehörde hat inzwischen erste Laborstudien aus Asien ausgewertet. Die ECDC geht auf Grundlage dieser Studien davon aus, dass sich beispielsweise die Untervariante BQ.1 zwar stärker der Immunreaktion eines Menschen entzieht. Gleichzeitig existierten bisher aber keine Hinweise auf schwerere Verläufe im Vergleich zu Erkrankungen durch die vorherrschenden Varianten BA.4 und BA.5.
Sars-CoV-2: Seit Pandemiebeginn immer wieder neue Varianten
Seit dem Beginn der Pandemie hat das Coronavirus immer wieder neue Mutationen und Varianten gebildet. Einige waren oder sind noch regional begrenzt aktiv und verschwinden nach kurzer Zeit. Andere setzen sich weltweit durch. Sieben Corona-Hauptvarianten sind seit Beginn der Pandemie aufgetaucht. Fünf davon gelten oder galten laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „besorgniserregende Virusvarianten“: Alpha, Beta, Gamma, Delta – und jetzt: Omikron. Omikron ist deutlich ansteckender als die zuvor dominierende Delta-Variante. Zugleich sind hier die Krankheitsverläufe milder, vor allem bei Geimpften.
BA.4 und 5: Noch im Juni marginal, heute dominant
Noch vor wenigen Monaten, im Juni dieses Jahres, dominierte in Deutschland mit einem Anteil von rund 80 Prozent an den Corona-Infektionen die Virus-Untervariante BA.2. Dann begannen sich die Subtypen BA.4 und 5 rasant auszubreiten, die nun ihrerseits vorherrschen.
Virusforscher: Immunflucht-Varianten könnten neue Corona-Welle „anheizen“
Dem Schweizer Virus-Evolutionsforscher Richard Neher von der Universität Basel bereiten zwei immun-evasive Corona-Subtypen derzeit am meisten Sorgen: die Varianten BA.2.75.2 und BQ.1.1. Erstere Untervariante habe sich sehr weit von der ursprünglichen BA.2-Variante wegentwickelt. Sie weise vor allem Veränderungen an Positionen auf, die für die Antikörperbindung wichtig sind. Neue Daten deuten darauf hin, dass sie die Immunantwort von Menschen, die in den letzten Monaten eine BA.5 Infektion hatten, unterlaufen kann. Auch BQ.1.1, die neue Untervariante von BA.5, habe sich in sehr ähnlicher Weise entwickelt und werde von Antikörpern weniger gut erkannt.
Die Herbstwelle sei längst angelaufen, sagt der Schweizer Virenforscher. Seine Prognose: „Wann genau und welche Variante aber das Rennen macht, ist noch nicht ganz klar. Aber es ist wahrscheinlich, dass die immun-evasiven Subvarianten die Welle später im Herbst weiter anheizen.“