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Was Patienten bei Verdacht auf Behandlungsfehler tun können

Samstag, 26. Mai 2018 – Autor:
Ärztliche Behandlungsfehler können dramatische Folgen haben, sind aber nicht leicht nachzuweisen. Doch Patienten haben Möglichkeiten: Das ist bei einem Verdacht auf einen ärztlichen Fehler zu tun.
Behandlungsfehler, Patientenrechte

Patienten müssen Behandlungsfehler nicht einfach hinnehmen. Es lohnt sich immer, zunächst die Krankenkasse zu informieren – Foto: ArTo - Fotolia

Die vergessene OP-Schere im Bauch ist ein Sinnbild für Ärztepfusch. In Praxisalltag passieren jedoch Behandlungsfehler, die wesentlich weniger offensichtlich sind. Oft ist es eine Verkettung unglücklicher Umstände, die dem Patienten gesundheitlichen Schaden zufügen. Der Nachweis, dass ein ärztlicher oder pflegerischer Behandlungsfehler vorliegt, ist allerdings nicht einfach zu führen. Denn zunächst muss der Patient beweisen, dass eine bestimmte Handlung oder Unterlassung einer Handlung ursächlich für seinen erlittenen Schaden ist.

Notizen machen

Um diesen Nachweis zu erbringen, ist es wichtig, dass sich Patienten und ihre Angehörigen alles notieren, was im Umfeld der Behandlung geschehen ist. Dazu gehören Zeitabläufe, Handlungen des Personals möglichst mit Namen, Äußerungen des Personals sowie eigene Wahrnehmungen und Eindrücke. Je eher diese Notizen gemacht werden, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass man die Abläufe und Namen noch erinnern kann. Auch Zeugen sind hilfreich.

Krankenkasse informieren

Eine möglichts genaue Beschreibung der Ereignisse benötigt auch die Krankenkasse des Patienten, die bei einem Verdacht auf Behandlungsfehler eingeschaltet werden sollte. Das Melden bei der Krankenkasse hat den großen Vorteil, dass ein kostenloses Gutachten durch einen Sachverständigen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) erstellt wird – sofern die Schilderungen des Patienten plausibel klingen. Zudem besorgt die Krankenkasse die notwendigen Krankenunterlagen bei den involvierten Kliniken und Ärzten und übergibt diese dann dem Gutachter. Ein MDK-Gutachten kann bis zu acht Monate dauern, ist aber im Vergleich zu später beauftragten Gutachten schnell und vor allem kostenlos für die Patienten.

Alternativ können sich geschädigte Patienten auch an die Schlichtungsstellen der Ärztekammern wenden. Der große Unterschied zu den Krankenkassen besteht darin, dass der beschuldigte Arzt mit der Gutachenerstellung einverstanden sein muss. Die Gutachten der Schlichtungsstellen sind für Patienten ebenfalls kostenlos.

Medizinisches Gutachten ist der erste Schritt  

Ein Gutachten, sei es durch den MDK oder eine Schlichtungsstelle, führt aber noch lange nicht zu einer Entschädigung. Einerseits wird nur in rund 25 Prozent der Fälle, tatsächlich ein Behandlungsfehler festgestellt. Aber selbst wenn der Fehler bestätigt wurde, beginnt jetzt erst die eigentliche Auseinandersetzung mit dem Arzt oder der Klinik und deren Haftpflichtversicherung, dem eigentlichen Gegner. Ein Gutachten legt lediglich die Basis für die Verhandlungen und ist nicht mit einem Richterspruch zu verwechseln. Ob zum Beispiel ein "grober Behandlungsfehler" vorliegt, der die Beweislast umkehrt" können nur Juristen entscheiden, nicht die ärztlichen Gutachter.

Da Patienten gegenüber den großen Versicherungen machtlos sind, empfiehlt es sich einen Patientenanwalt einzuschalten. Das sollte ein Anwalt für Medizinrecht sein, der die Tricks der Gegenseite genau kennt und sich im Arzthaftungsrecht bestens auskennt. Noch besser, wenn er ausschließlich die Patienenseite vertritt und bereits ähnlich gelagerte Fälle erfolgreich abgeschlossen hat.

Oft gelingt es den Fachanwälten, außergerichtliche Einigungen mit der Gegenseite zu erzielen, notfalls muss der Fall vor Gericht. Beides kann sich unter Umständen über Jahre hinziehen. Häufig holen die Versicherer andere Gutachten ein, ein Richter ist sogar dazu gezwungen. Das kann dauern.  

Höhe des Schmerzensgeldes ist der strittige Punkt

In jedem Fall wird es um ein angemessenen Schmerzensgelds für den Patienten gehen. Das Schmerzensgeld kann zwar das erlittene Leid nicht wiedergutmachen, aber es kann einen gewissen Ausgleich bieten. Und es soll dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet, wie das Oberlandesgericht Hamm einst feststellte.

Die Höhe des Schmerzensgeldes bemisst sich am Umfang des entstandenen Schadens. Hier gilt: Je schwerer die Behinderung, desto höher das Schmerzensgeld. Die höchsten Summen werden in Deutschland in der Regel für Geburtsschäden mit einer lebenslangen Beeinträchtigung gezahlt. Denn für die Höhe des Schmerzensgeldes ist die voraussichtliche Lebenserwartung von Bedeutung. Paradox, aber wahr: Verstirbt ein Geschädigter vorzeitig, ist die Höhe des Schmerzensgeldes entsprechend niedriger, selbst wenn der Tod letztlich auf den Behandlungsfehler zurückzuführen ist. Gerichte begründen das damit, dass das Schmerzensgeld für Körperverletzung und Gesundheitsbeschädigung zu leisten ist, nicht aber für den Tod.

Bis zum Schmerzensgeld oder einer Schmerzensgeldrente ist es meist ein langer Weg. Viele Patienten scheuen sich vor einer jahrelangen Auseinandersetzung oder haben erst gar nicht die Kraft, den Behandlungsfehler zu melden. Dennoch machen heute mehr Patienten von ihren Rechten Gebrauch als noch vor 15 Jahren. Das liegt vermutlich daran, dass heute mehr über Behandlungsfehler und Patientenrechte geredet wird.

Was ist eigentlich ein Behandlungsfehler?

Ein Behandlungsfehler liegt immer dann vor, wenn ein Mediziner gegen geltende Standards verstoßen hat, sein Handeln also nicht nachvollziehbar ist. Offensichtlich ist dies zum Beispiel, wenn der Arzt Symptome, die auf einen Herzinfarkt hindeuten, ignoriert, den Patienten nach Hause schickt und der dann einen Herzinfarkt erleidet – oder wenn unregelmäßige Herztöne des Ungeborenen nicht zu Konsequenzen führen und das Baby mit einem Geburtsschaden zur Welt kommt. Doch in vielen Fällen jagt ein Gutachten das nächste und die Sache ist nicht so eindeutig, wie sie auf den ersten Blick scheint. Spätestens wenn dieser Punkt strittig ist, kommt die Frage nach der Aufklärung ins Spiel. Ärzte sind verpflichtet ihrer Patienten über Vorteile und Risiken einer geplanten Diagnostik- oder Therapiemethode aufzuklären und - sofern vorhanden – über Alternativen zu informieren. Kann der Arzt nicht nachweisen, dass er seiner Aufklärungspflicht nachgekommen ist, steigen die Chancen für den Patienten erheblich auf eine angemessene Entschädigung.

© Marco2811 - Fotolia.com

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