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Warum Stress das Immunsystem langfristig herunter fährt

Donnerstag, 6. August 2020 – Autor:
Stress kann das Immunsystem kurzfristig hochfahren. Doch länger andauernder Stress schwächt unsere Abwehr und kann uns anfälliger für Infektionen oder Krebserkrankungen machen. Immunforscher wollen nun das Zusammenspiel zwischen Nervensystem und Immunsystem näher erforschen.
Ein hoher Stresslevel schwächt das Immunsystem - vermutlich über Neurotransmitter wie Adrenalin

Ein hoher Stresslevel schwächt das Immunsystem - vermutlich über Neurotransmitter wie Adrenalin – Foto: ©peterschreiber.media - stock.adobe.com

Stress ist zweischneidiges Schwert. Geraten wir akut in eine stressige Situation – zum Beispiel eine Prüfung oder in eine bedrohliche Lage – kann der Körper enorme Kräfte mobilisieren. Das sympathische Nervensystem wird eingeschaltet und das Immunsystem aktiviert. Dabei schüttet das Gehirn Neurotransmitter wie Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin aus. Diese Botenstoffe – auch Katecholamine genannt - sind für die rasche körperliche und seelische Reaktion in stressigen Situationen verantwortlich. Wenn etwa akute Fluchtgefahr besteht, ist das gut.

Projekt untersucht Einfluss von Stress aufs Immunsystem

Nicht jedoch, wenn das Nervensystem unter länger andauerndem Stress steht. Dann wird das Immunsystem nämlich heruntergefahren. Wir werden krank und insbesondere anfälliger für Infektionen und Krebs.

Die molekularen Details des Zusammenspiels zwischen psychologischem Stress und Immunzellen sind jedoch noch nicht ausreichend verstanden. Immunologen vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) wollen das nun näher erforschen. Im Fokus des neuen Projekts steht die Frage, wie Neurotransmitter, die an der Stressreaktion beteiligt sind, die Funktion der Natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) genau beeinflussen.

Immunzellen haben Rezeptoren für Adrenalin & Co.

Natürliche Killerzellen sind Immunzellen, die virusinfizierte oder bösartige Zellen beim ersten Kontakt abtöten können. Wie andere Immunzellen auch, besitzen die natürlichen Killerzellen Rezeptoren für Neurotransmitter. Dadurch kann das Nervensystem Einfluss auf Abwehrreaktionen nehmen.

Das Team um Prof. Carsten Watzl und Prof. Silvia Capellino konnte bereits in früheren Zellkultur-Experimenten nachweisen, dass eine akute Behandlung mit Noradrenalin oder Dopamin die natürlichen Killerzellen Zellen in ihrer Angriffsfähigkeit hemmt. Ebenso wurden durch Noradrenalin Signale unterdrückt, die wichtig sind, damit die NK-Zellen überhaupt aus dem Blut in krankes Gewebe eindringen können. Bei einer lang andauernden, chronischen Behandlung mit Noradrenalin wurden jedoch keine dieser Signale unterdrückt. Vermutlich aufgrund einer Inaktivierung des Rezeptors, spekulieren die Forscher.

Sympathikus unter Verdacht

„Im Projekt werden wir der Hypothese nachgehen, dass Stress die Aktivität der NK-Zellen über das sympathische Nervensystem reguliert“, erklärt Projektleiterin Silvia Capellino. „Wir möchten unter anderem die molekularen Mechanismen besser verstehen, wie sich akuter und chronischer Stress auf die Funktion von natürlcihen Killerzellen auswirken. Dadurch könnten auch neue Biomarker definiert werden, die den Effekt von Stress auf das Immunsystem anzeigen können.“

Dafür müssen die Forscher noch etliche Experimente durchführen. Auch die Auswirkungen der Neurotransmitter Noradrenalin und Dopamin auf die zahlreichen weiteren Immunzellen sollen untersucht werden.

Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft für drei Jahre gefördert. Die Ergebnisse könnten auch für die Entwicklung neuer Medikamente interessant sein. Schließlich werden Adrenalin, Dopamin und Noradreanlin in der Intensiv- und Notfallmedizin häufig zur Kreislaufstabilisierung oder bei schweren allergischen Reaktionen eingesetzt.

Foto: © Adobe Stock/peterschreiber.media

Hauptkategorie: Medizin
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