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Warum Frauen häufiger an Alzheimer erkranken

Samstag, 5. März 2022 – Autor:
Zwei Drittel der Alzheimer-Patienten in Deutschland sind weiblich. Lange ging die Wissenschaft davon aus, dass der Grund dafür vor allem in der größeren Lebenserwartung von Frauen liegt – denn je höher das Alter, desto größer auch das Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Nach neueren Erkenntnissen spielen aber Geschlecht und Hormone eine mindestens so große Rolle. Und: Es gibt noch weitere Faktoren.
Ältere Frau mit leerem Blick.

Je älter ein Mensch, desto größer das Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Die längere Lebenserwartung von Frauen wurde lange als zentrale Ursache für die neurodegenerative Erkrankung des Gehirns betrachtet. Hormone spielen aber offenbar eine noch größere Rolle. – Foto: AdobeStock/pikselstock

Frauen erkranken deutlich häufiger an Alzheimer als Männer. Rund zwei Drittel der 1,2 Millionen Alzheimer-Erkrankten sind weiblich. „Lange ist man davon ausgegangen, dass die längere Lebenserwartung von Frauen der Grund ist, denn das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, steigt mit zunehmendem Alter“, heißt es bei der „Alzheimer Forschung Initiative“ (AFI) Düsseldorf . Doch auch wenn man die höhere Lebensdauer herausrechne, erkrankten Frauen immer noch öfter an der häufigsten Form der Demenz. Warum ist das so?

Alzheimer-Ursachen: Neue Erkenntnisse in der Wissenschaft

Auch wenn die genauen Zusammenhänge noch nicht abschließend erforscht sind: Die Wissenschaft geht heute zunehmend davon aus, dass auch geschlechtsspezifische Unterschiede, besonders im Hormonhaushalt, dazu führen, dass Frauen häufiger von Alzheimer betroffen sind, beobachtet die AFI, die nach eigenen Angaben der größte unabhängige und private Förderer der Alzheimer-Forschung in Deutschland ist.

Östrogen: Gut fürs Kinderkriegen, gut fürs Gehirn

Und so werden die Bedeutung und der Wirkmechanismus von der Wissenschaft erklärt: Hormonhaushalt und Stoffwechsel von Frauen sind anders als bei Männern. Dass die weiblichen Sexualhormone, insbesondere Östrogene, die Reproduktionsfähigkeit von Frauen regeln, ist bekannt. Dass Östrogene aber auch eine wichtige Rolle für den Hirnstoffwechsel und damit für die kognitiven Prozesse im weiblichen Gehirn spielen, rückt erst langsam in den Fokus der Alzheimer-Forschung.

Jüngere Frauen: Östrogen schützt vor alzheimertypischen Plaques

In jüngeren Jahren sind Östrogene dabei offenbar von Vorteil: Sie sind wichtig für den Schutz und den Energiestoffwechsel der Nervenzellen im Gehirn. Sie regulieren die Mitochondrien, die als Kraftwerke der Zellen für die nötige Energie sorgen und die Verknüpfung zwischen den Nervenzellen fördern. Außerdem trägt der Botenstoff zum Schutz und zur besseren Durchblutung der Nervenzellen bei und verhindert, dass sich die alzheimertypischen Amyloid-Plaques (Beläge aus abnorm veränderten Proteinen) ablagern.

Ältere Frauen: Östrogenmangel erhöht Alzheimer-Risiko

In den Wechseljahren aber ändert sich bei Frauen der Hormonhaushalt – und das hat Folgen für das Alzheimer-Risiko. Insbesondere die Östrogenproduktion ist stark rückläufig. Weil Östrogene nicht mehr ausreichend für die Energieversorgung und den Schutz der Nervenzellen sorgen, leiden manche Frauen kurzfristig unter Wechseljahresbeschwerden, die auch die Kognition betreffen können, zum Beispiel Gedächtnisprobleme, Vergesslichkeit und Verwirrtheit. Mittelfristig können diese hormonellen Veränderungen aber auch das Alzheimer-Risiko erhöhen. Das belegen verschiedene Studien von Neurowissenschaftlern aus den USA.

Späte Menstruation oder frühe Menopause = Alzheimer-Risiko erhöht

Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch die Länge der Reproduktionsphase von Frauen. Frauen, die 21 bis 34 Jahre lang fruchtbar waren, haben ein 26 Prozent höheres Demenzrisiko, als Frauen mit einer Reproduktionsphase von 39 bis 44 Jahren Länge. Das deutet darauf hin, dass ein spätes Einsetzen der Menstruation oder eine frühe Menopause das Alzheimer-Risiko erhöhen. Zu diesem Schluss kommt eine US-Studie von 2019.

Kann Hormon-Ersatztherapie das Alzheimer-Risiko senken?

Ob eine Hormon-Ersatztherapie das Alzheimer-Risiko senken kann, ist bislang noch umstritten. Studien weisen darauf hin, dass es darauf ankommt, ob die künstlichen Hormone im dafür geeigneten Zeitfenster eingenommen werden. Beginnt die Hormonersatztherapie zeitnah zum Ausbleiben der Menstruation, scheint es einen positiven Effekt zu geben. Eine späte Hormontherapie kann das Alzheimer-Risiko gegebenenfalls sogar erhöhen. Bei einer Hormonersatztherapie wird der Hormonmangel, der durch die Wechseljahre entsteht, durch Medikamente künstlich ausgeglichen.

Die Hormone sind nicht alles: Weitere Alzheimer-Risikofaktoren

Die Hormone sind trotz ihrer großen Bedeutung nicht die einzige Ursache dafür, dass Frauen ein höheres Risiko tragen, an Alzheimer zu erkranken. Die US-Neurowissenschaftlerin Lisa Mosconi fand heraus, dass bestimmte Risikofaktoren, die für Männer und Frauen gleichermaßen gelten, bei Frauen stärker anschlagen und sich damit folgenreicher auf den kognitiven Verfall auswirken als bei Männern. Zu diesen Alzheimer-Risikofaktoren zählen insbesondere diese:

Was bei Alzheimer im Gehirn passiert

Die Alzheimer-Erkrankung ist der langsam fortschreitende Untergang von Nervenzellen und Nervenzellkontakten im Gehirn. Zum Krankheitsbild gehören insbesondere Gedächtnis- und Orientierungsstörungen, Sprachstörungen, Störungen des Denk- und Urteilsvermögens sowie Veränderungen der Persönlichkeit. Der im Krankheitsverlauf zunehmende Leistungsverlust des Gehirns macht für die Betroffenen die Bewältigung des normalen Alltagslebens immer schwieriger. Wahrnehmungsstörungen, ein auffällig schlechtes Kurzzeitgedächtnis oder räumliche und zeitliche Orientierungsprobleme können frühe Anzeichen für eine Alzheimer-Erkrankung sein.

Hauptkategorie: Demografischer Wandel
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