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Wann eine Chemotherapie bei Blasenkrebs wirksam ist

Montag, 18. Januar 2021 – Autor:
Berliner Forscher haben zwei Marker für Blasenkrebs entdeckt, die das Ansprechen auf eine Chemotherapie voraussagen. Die Marker hängen mit dem Immunsystem der Patienten zusammen.
Chemotherapie bei muskelinvasivem Blasenkrebs: Immunstatus erlaubt Abschätzung des Therapieerfolgs

Chemotherapie bei muskelinvasivem Blasenkrebs: Immunstatus erlaubt Abschätzung des Therapieerfolgs – Foto: ©eakgrungenerd - stock.adobe.com

Wenn Blasenkrebs bereits in die Muskelschicht der Blasenwand eingewachsen ist, erhalten Patienten üblicherweise zunächst eine Chemotherapie. Damit soll einerseits eine Metastasierung verhindert werden, andererseits wird eine Verkleinerung des Tumors angestrebt, so dass die Blase anschließend operativ entfernt werden kann. Doch bei mehr als jedem zweiten Patienten schrumpft der Tumor durch die Chemo nicht. Eine beträchtliche Zahl der Patienten profitiert also nicht von der Vorbehandlung, sondern verliert im Gegenteil wertvolle Zeit, in der der Blasenkrebs weiter wachsen und Metastasen bilden kann.

Jede zweite Chemotherapie bleibt ohne Wirkung

Doch warum funktioniert die Chemotherapie nur in jedem zweiten Fall? Eine Antwort liefern jetzt Forscher der Charité und des Berlin Institute of Health (BIH). Das Team um Dr. Michael Schmück-Henneresse fand heraus, dass die Wirkung der Chemo maßgeblich vom das Immunsystem des Patienten abhängt. Nur wenn das Tumorgewebe zwei spezifische immunologische Komponenten, CXCL11 und CXCR3alt, in großen Mengen aufwies, zeigte die anschließende Chemotherapie Wirkung, wie Analysen von Patientendaten ergaben. Die Marker können sich relativ einfach in der Gewebeprobe messen lassen, die für die Diagnostik des Tumors entnommen wird.

Immunstatus entscheidend für den Therapieerfolg

„Mit dieser technisch einfachen Methode ist es grundsätzlich also bereits zum Zeitpunkt der Diagnose möglich, den Erfolg einer Chemotherapie bei dem oder der Betroffenen abzuschätzen“, sagt Michael Schmück-Henneresse. „Ist es unwahrscheinlich, dass die Vorbehandlung anschlägt, könnte man auf die Chemotherapie verzichten und den Blasenkrebs direkt operativ entfernen.“ Patienten würden so nicht nur die Nebenwirkungen einer unwirksamen Chemotherapie erspart. „Das Vorgehen würde voraussichtlich auch ihre Überlebenschancen erhöhen“, so Schmück-Henneresse. Allerdings brauche man weitere Studien, um das Ergebnis zu erhärten.

Immunologische Marker beeinflussen das Überleben

Die Studie basiert auf Daten von 20 Patienten mit muskelinvasivem Blasenkrebs, die an der schwedischen Umeå University in Behandlung waren. Die Forscher aus Berlin und Schweden analysierten deren Gewebeproben und glichen die Funde mit den Krankheitsverläufen ab. Das Ergebnis: Nur wenn sich im Tumorgewebe besonders viel CXCL11, ein Lockstoff für Immunzellen, fand und bestimmte Zellen des Immunsystems, die T-Zellen, den dafür passenden Rezeptor CXCR3alt herstellten, zeigte die Chemotherapie Wirkung. Das Team überprüfte seine Beobachtungen anschließend anhand bereits existierender Daten aus dem „Cancer Genome Atlas“. Auch hier zeigte sich, dass von 68 Blasenkrebs-Patienten, die eine Chemotherapie erhielten, diejenigen mit großen Mengen CXCL11 im Tumorgewebe häufiger überlebt hatten.

„Wir interpretieren unsere Ergebnisse so, dass das Signalmolekül CXCL11 spezifische T-Zellen in den Tumor lockt und sie stimuliert, sich zu vermehren und so verstärkt gegen den Krebs vorzugehen“, erklärt der Erstautor der Studie Tino Vollmer, Doktorand am Institut für Medizinische Immunologie der Charité. „Die Chemotherapie scheint diese körpereigene Bekämpfung des Tumors dann zu unterstützen, etwa weil die T-Zellen durch den Zerfall des Krebsgewebes einfacher einwandern können.“

Immunsystem unterstützt Chemo

Dass das Immunsystem und Chemotherapie gewissermaßen Hand in Hand arbeiten, widerspricht der gängigen Lehrmeinung, wonach die Wirkung chemotherapeutischer Medikamente allein auf die hohe Teilungsfähigkeit der Krebszellen zurückgeführt wird. Doch die Forscher rücken davon ab: „Zusammen mit anderen Studien betont unsere aktuelle Arbeit, wie wichtig hierbei auch die aktive Bekämpfung des Tumors durch das Immunsystem ist“, sagt Vollmer.

Ob sich bei Patienten ohne die beiden immunologischen Marker das Immunsystem mit einer Zelltherapie aktivieren lässt, wollen die Forscher im nächsten Schritt untersuchen. Dazu möchte das Team die T-Zellen der Betroffenen außerhalb des Körpers mit einem künstlichen CXCR3alt-Rezeptor ausstatten und anschließend wieder in den Körper einschleusen.

Außerdem wollen sie die Vorhersagekraft der beiden Immunkomponenten CXCL11 und CXCR3alt in einer Folgestudie überprüfen, die Patienten aus verschiedenen europäischen Krankenhäusern einschließen wird. Dr. Schmück-Henneresse: „Sollte sich die Verlässlichkeit der Vorhersage bestätigen, könnte die Analyse des Immunstatus in Zukunft regulär als Entscheidungsgrundlage für die Blasenkrebs-Behandlung genutzt werden.

Die Ergebnisse der Studie sind jetzt im Fachmagazin "Science Translational Medicine" erschienen.

Foto: © Adobe Stock/eakgrungenerd

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