Wadenwickel & Co - Naturheilkunde bei Senioren beliebt
Wer heute 70 Jahre und älter ist, ist damit aufgewachsen: Wadenwickel bei Fieber oder Kräutertees zur Stärkung der Abwehrkräfte - also all das, was heute unter die Begriffe Naturheilkunde und Komplementärmedizin fällt. Dass ein Großteil der älteren Generation immer noch naturheilkundliche Verfahren anwendet, haben nun Wissenschaftler der Charité ermittelt.
In der Studie „Natur und Medizin“ wurden über 800 Erwachsene ab 70 Jahren in Berlin und Brandenburg befragt, inwieweit sie natürlichen Produkte und Verfahren zum Kurieren von Krankheiten nutzen. Die Palette reichte von pflanzlichen Arzneimitteln über äußerliche Anwendungen bis hin zu Tees und Säften. In die Studie wurden sowohl selbstständig Lebende und Nutzer von häuslicher Pflege als auch Bewohner von Pflegeheimen eingeschlossen.
Naturheilkunde wird gerne mit Schulmedizin kombiniert
Die Studie zeigt, dass 61,3 Prozent mindestens eine Form von Komplementärmedizin nutzen. Dabei stehen Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamine und Mineralien an erster Stelle (35,5%), gefolgt von pflanzlichen Arzneimitteln (33,3%). Äußerliche Anwendungen wie etwa Wadenwickel oder das Einreiben mit ätherischen Ölen nutzen 26,8 Prozent der Befragten. Knapp 60 Prozent sind mit dem Effekt der naturheilkundlichen Mittel zufrieden. Dennoch bevorzugen die meisten Senioren (64,9%) eine Kombination aus komplementärer und konventioneller Medizin. In den einzelnen Bevölkerungsgruppen gibt es der Studie zufolge große Unterschiede. So nehmen Senioren mit gesetzlicher Betreuung fast ausschließlich nur die vom Arzt verschriebenen Mittel ein. Von den Senioren ohne gesetzliche Betreuung informieren aber immerhin knapp 60 Prozent ihren Arzt darüber, dass sie selbstständig Komplementärmedizin in Anspruch nehmen.
Wechselwirkungen möglich
Allerdings wissen nur 60 Prozent der Anwender über mögliche Wechselwirkungen mit konventionellen Medikamenten Bescheid. „Dies ist ein Problem, denn ein Erwachsener im Alter von 70 Jahren bekommt bereits bis zu fünf verschiedene konventionelle Medikamente vom Arzt verschrieben“, sagt Dr. Michael Teut aus dem Forscherteam vom Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Charité. „Wechselwirkungen mit natürlichen Mitteln sind möglich. Unsere Ergebnisse zeigen einmal mehr, wie dringend der Schulterschluss zwischen konventioneller und komplementärer Medizin erfolgen muss." Der Facharzt für Allgemeinmedizin mit Zusatz Naturheilkunde meint, eine flächendeckende Erstattung komplementärmedizinischer Mittel und Verfahren in der GKV könnte dieses Problem entschärfen. „Deren Inanspruchnahme würde in die Statistiken einfließen und wäre für Hausärzte besser einsehbar“, so Teut.
Die Studie wurde von der Carstens-Stiftung gefördert und die Publikation mit dem Titel “Use of complementary and alternative medicine by older adults – a cross-sectional survey” auf www.biomedcentral.com veröffentlicht.
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