Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Wachkoma-Diagnose häufig falsch

Sonntag, 21. Juni 2015 – Autor:
Wachkoma-Patienten verfügen häufig über – wenn auch minimales – Bewusstsein, ohne dass dies von außen erkennbar wäre. Dabei gibt es Möglichkeiten, solche Fälle zu identifizieren, doch die Diagnosemethoden werden oft nicht voll ausgeschöpft.
Wachkoma-Diagnose oft falsch

Mehrere tausend Menschen fallen jedes Jahr in ein Wachkoma – Foto: Coloures-pic - Fotolia

Etwa 3000 bis 5000 Menschen fallen in Deutschland jedes Jahr in ein Wachkoma. Die Ursache ist oft ein Unfall, bei dem das Gehirn verletzt wurde, oder eine Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff, beispielsweise nach einem längeren Herzstillstand. Nicht immer sind die Patienten jedoch völlig ohne Bewusstsein. Vielmehr gibt es unterschiedliche Stufen von Bewusstsein, in denen sich ein Mensch befinden kann.

Experten der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) haben nun in einer Pressemitteilung kritisiert, dass Wachkoma-Patienten häufig nicht korrekt diagnostiziert und dann auch nicht ausreichend therapiert werden. Denn etwa 40 Prozent aller Wachkoma-Patienten sind bei minimalem Bewusstsein, ohne dass Angehörige und Ärzte dies erkennen. Für die Diagnose gibt es eine komplexe Skala, die unter anderem visuelle und motorische Funktionen erfasst. Doch diese Methode wird noch zu selten angewendet, bemängeln die DGKN-Vertreter.

Wachkoma-Patienten haben oft Reste von Bewusstsein

Wachkoma-Patienten können zwar die Augen öffnen, lassen aber weder Bewusstsein noch Kontaktfähigkeit erkennen. Zeigen solche Patienten bewusste Wahrnehmungen, zum Beispiel gezielte Augenbewegungen, befinden sie sich nicht mehr im Wachkoma, sondern im sogenannten minimalen Bewusstseinszustand, auch Syndrom des minimalen Bewusstseins (SMB) genannt. In der derzeitigen klinischen Versorgungsrealität sei die Abgrenzung zwischen Wachkoma und SMB jedoch schwierig, sagt der DGKN-Experte Andreas Bender vom Therapiezentrum Burgau. Eine Fehldiagnose kann jedoch für die Patienten fatal sein. „Wir vermuten, dass viele SMB-Patienten, die für Wachkoma-Patienten gehalten werden, unter der fehlenden persönlichen Ansprache leiden“, so Bender.

In einer aktuellen Studie konnten Forscher um Dr. Bender zeigen, dass elektrophysiologische Verfahren solche Fehldiagnosen reduzieren könnten. Für die Analyse hatten die Neurophysiologen 20 klinische Studien mit über 900 Patienten ausgewertet, deren Hirnaktivität unter anderem mit funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) und quantitativer Elektroenzephalographie (qEEG) gemessen worden war. Beide Methoden zeigen, ob Patienten sich bestimmte Bewegungen, etwa Tennisspielen, vorstellen können, wenn man sie dazu auffordert. Es zeigte sich, dass in allen Studien zehn bis 24 Prozent der Wachkoma-Patienten solche Aufgaben befolgen konnten. Diese Patienten wären also nicht als Wachkomapatienten, sondern als SMB-Patienten mit wenigstens partiell erhaltenem Bewusstsein einzustufen – und das trotz der gründlichen standardisierten Untersuchung.

Diagnosemöglichkeiten werden nicht ausgeschöpft

„Mit dem derzeitigen Goldstandard für die Wachkoma-Diagnose, der sogenannten revidierten Coma Recovery Scale (CRS-R), lassen sich solche Bewegungsvorstellungen nicht nachweisen“, erklärt Professor Andreas Straube vom Klinikum der Universität München die Ursache der Fehldiagnosen. Denn die CRS-R erfordert, dass Patienten sich tatsächlich bewegen. Dennoch bleibt diese klinische Einstufung derzeit der Goldstandard der Diagnostik.

„Es gibt aber auch Patienten, die zwar bei Bewusstsein sind, aber keinen Zugriff auf ihr motorisches System haben“, so Bender. Besser geeignet seien für diese Patienten möglicherweise neurophysiologische Verfahren. „Am genauesten konnte der Bewusstseinszustand mit dem qEEG erkannt werden“, so der DGKN-Experte.

Foto: © Coloures-pic - Fotolia.com

Hauptkategorie: Medizin

Weitere Nachrichten zum Thema Wachkoma

30.12.2013

Michael Schumacher hat sich gestern bei einem Skiunfall ein schweres Schädel-Hirn-Trauma zugezogen. Die behandelnden Ärzte haben ihn in ein künstliches Koma versetzt, besonders die diffusen Hirnverletzungen bereiten ihnen Sorge.

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin