Vier Leberzentren haben bei der Organvergabe manipuliert
An den Universitätskliniken Göttingen und Leipzig sowie in zahlenmäßig geringerem Ausmaß in München rechts der Isar und Münster hat es schwerwiegende Richtlinienverstöße bei Lebertransplantationen gegeben. An weiteren 20 deutschen Transplantationszentren fanden die Prüfer von Bundesärztekammer, Deutscher Krankenhausgesellschaft und GKV-Spitzenverband keine Verstöße, die auf eine systematische Manipulation von Daten zur Organvergabe schließen lassen. Damit hat sich der Manipulationsverdacht gegen die Uniklinik in Regensburg nicht bestätigt.
Alle 24 deutschen Lebertransplantationsprogramme wurden von der Prüfungs- und Überwachungskommission in den letzten Monaten überprüft. Die Vor-Ort-Prüfungen sind Teil eines neuartigen Kontrollsystems im Transplantationswesen, das nach dem Transplantationsskandal im Sommer 2012 auf neuer gesetzlicher Grundlage ausgeweitet wurde.
Um die aufgedeckten Regelverstöße in den Leberzentren kümmert sich jetzt der Staatsanwalt
„Die von der Kommission festgestellten systematischen Regelverstöße in den vier Zentren wurden auf Kommissionsebene schonungslos aufgearbeitet und den Staatsanwaltschaften übergeben“, betonte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft Georg Baum. „Wichtig ist festzuhalten, dass trotz der Regelverstöße keine gespendeten Organe verlorengegangen sind.“
Die Verstöße in Göttingen, Leipzig, München und Münster hatten zur Folge, dass für bestimmte Patienten die Dringlichkeit zur Lebertransplantation erhöht wurde und sie damit auf der Warteliste weiter nach vorne rückten. Der Prüfbericht nennt: 79 Verstöße in Göttingen, 76 in Leipzig, 38 in München, 25 in Münster.
„Allerdings ist es in einigen Zentren auch um grenzwertige oder nicht mehr richtlinienkonforme Indikationen gegangen“, erläuterte Prof. Dr. Hans Lilie, Vorsitzender der Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer und Mitglied des Prüfteams.
Organvergabe: Privatpatienten wurden nicht bevorzugt
Kommissionsvorsitzende Anne-Gret Rinder, Vorsitzende Richterin am Kammergericht i. R., erklärte, dass sich insgesamt keine Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass privatversicherte Patienten oder sogenannte Non-Residents bevorzugt behandelt und transplantiert worden wären. Auch haben sich keine Bedenken gegen das beschleunigte Vermittlungsverfahren als Verfahrensart ergeben.
Rinder betonte, die Überprüfung der Lebertransplantationsprogramme zeige dass die Maßnahmen für mehr Kontrolle und Transparenz in der Transplantationsmedizin Wirkung zeigten. „Positiver Effekt der Vor-Ort-Prüfungen ist im Zusammenhang mit der Einführung der interdisziplinären Transplantationskonferenzen bereits jetzt eine Verbesserung der formalen Abläufe sowie der Dokumentationen“, ergänzte Lippert. Nach Einschätzung der Kommissionsvorsitzenden ist für die Jahre 2012 und 2013 mit einer deutlich geringeren Anzahl von Richtlinienverstößen zu rechnen.
Ein ehemaliger Transplantationsmediziner aus Göttingen muss sich derzeit vor Gericht verantworten. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft versuchten Totschlag vor. Infolge des Organspendeskandals brachen die Spenderzahlen in Deutschland dramatisch ein.