Urologen warnen vor zu viel Optimismus
Unter dem Titel „Die neue Waffe gegen Prostatakrebs“ berichtet das Wochenmagazin „Focus“ in der Ausgabe 5/2015 über eine neue Methode zur Behandlung des Prostatakrebses, bei der angeblich „mit ultrakurzen Stromstößen Tumorzellen zerstört werden können“. Die sogenannte „Irreversible Elektroporation“ (IRE) sei eine „schonende“ Methode, die beim Prostatakrebs Potenz und Schließmuskelfunktion nicht beeinträchtige und bei der „die Harnröhre ebenso erhalten bleibt wie die Erektionsfähigkeit“, heißt es in dem Artikel.
Die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) sieht sich durch den Bericht dazu veranlasst klarzustellen, dass der „Wert dieser Behandlung noch völlig ungesichert ist“.
„Zur Therapie von Prostatakrebs mittels dieser Methode finden sich in wissenschaftlichen Literaturdatenbanken lediglich 18 Publikationen. Diese beschreiben die technischen Grundlagen der Methodik oder Protokolle neuer Studien, die sich noch in Planung befinden“, sagt Prof. Dr. Oliver Hakenberg, DGU-Generalsekretär und Direktor der Klinik für Urologie der Universität Rostock.
Neue Bahndlungsmethode bei Prostatakrebs: Nebenwirkungen noch nicht bekannt
Lediglich zwei Arbeitsgruppen beschreiben kurzfristige Behandlungsergebnisse, aber auch nur bezüglich der Durchführbarkeit und der Häufigkeit kurzfristiger Behandlungsnebenwirkungen. Mittel- oder langfristige Ergebnisse zur Wirksamkeit und zu Nebenwirkungen lägen dagegen nicht vor, so die DGU.
„Niemand kann daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt irgendeine Aussage dazu machen, ob diese Methode überhaupt in der Lage ist, einen Prostatakrebs therapeutisch zu beeinflussen, noch viel weniger ist klar, ob sie anderen Behandlungsmethoden überlegen ist“, sagt Prof. Dr. Kurt Miller, 1. DGU-Vize-Präsident und Direktor der Urologischen Klinik der Charité in Berlin. Zudem sei diese alternative Behandlungsmaßnahme mit hohen Kosten verbunden, die aufgrund des fehlenden Nutzennachweises nicht von den Krankenkassen getragen werden.
Valide Daten fehlen noch
„Bei Neuzulassung eines Medikamentes gelten heute strengste Anforderungen an den Nachweis eines Nutzens durch Studien. Es muss sogar der ´Zusatznutzen` im Vergleich zu bestehenden Therapien belegt werden. Bei medizinisch-technischen Behandlungsverfahren ist das anders. Hier werden solche Ansprüche nicht eingefordert. Allein die technische Durchführbarkeit wird als ausreichend angesehen, um die Anwendung am Menschen zu erlauben“, sagt Prof. Dr. Jürgen Gschwend, Direktor der Klinik für Urologie der Technischen Universität München.
Für die DGU-Experten weckt die Berichterstattung Hoffnungen, die durch keine Fakten oder Daten gestützt werden. Die Befürchtung der DGU: Patienten könnten zu Therapien verleitet werden, die ihnen nichts nützen und bei denen ernsthafte Nebenwirkungen auftreten können. Noch fataler sei es aber, wenn durch die mit falschen Hoffnungen verknüpfte Anwendung der Methode tatsächlich wirksame Behandlungen hinausgezögert werden und dann für manchen Patienten zu spät kommen.
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