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Umstrittener Eingriff an Halsvenen schadet eher

Dienstag, 21. Mai 2013 – Autor: Anne Volkmann
Ein bislang umstrittener Eingriff an den Halsvenen, der angebliche Blutflussblockaden bei Multipler Sklerose beseitigen soll, hat in einer Studie schlechter abgeschnitten als eine Scheintherapie. Das berichteten Wissenschaftler auf der AAN-Tagung in San Diego. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie fordert ein Verbot dieser Eingriffe.
Umstrittener Eingriff bei MS

Ein umstrittener Eingriff bei MS hat sich als nutzlos erwiesen

Für Patienten mit Multipler Sklerose (MS) gibt es zwar mittlerweile schon viele Behandlungsmöglichkeiten, aber noch keine wirkliche Heilung. Daher wird jede neue Therapieoption von Ärzten und Patienten mit Spannung erwartet. Doch nicht jede Neuerung bringt den erhofften Nutzen. Dies trifft auch auf die umstrittenen Eingriffe an den Halsvenen von MS-Patienten zu, die helfen sollten, angebliche Blutflussbockaden zu beseitigen. Die bislang strengste Studie zu dieser Behandlung kam zu dem Ergebnis, dass der Eingriff zu schlechteren Ergebnissen führt als eine Placebotherapie.

Venöse Stauungshypothese bei MS nicht haltbar

Über die Resultate der Studie berichteten Forscher auf der diesjähringen Jahrestagung der Amerikanischen Akademie für Neurologie (AAN), die in San Diego stattfand. Der Untersuchung zufolge ist die venöse Stauungshypothese nun nicht mehr haltbar, mit welcher der Eingriff bisher begründet wurde. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie fordert daher ein Verbot von Eingriffen an den Halsvenen bei MS-Patienten, zumindest außerhalb von Studien. Bisher wurden weltweit rund 30.000 solcher Eingriffe vollzogen, auch in Deutschland.

Experten fordern Verbot des Eingriffs

Die auch als Liberation Treatment bekannte Behandlung wurde bisher durchgeführt, ohne dass man ihren Nutzen in einer randomisierten, doppelblinden Studie überprüft hätte. Die beiden Studienleiter Professor Robert Zivadinov und Dr. Adnan Siddiqui von der University at Buffalo, The State University of New York, School of Medicine, zeigten sich von dem jetzigen Ergebnis überrascht. Es sei „ziemlich das Gegenteil von dem, was wir erwartet haben“, so die Wissenschaftler.

Schon vor zwei Jahren hatte die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) vor dem Eingriff gewarnt. Die Befürchtungen haben sich durch die aktuelle Studie bestätigt. „Wir fordern deshalb endgültig ein Verbot derartiger Eingriffe außerhalb klinischer Studien“, so Professor Ralf Gold, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Auch Professor Hemmer, Sprecher des Kompetenznetzes Multiple Sklerose (KKNMS), erklärte: „Wir müssen MS-Patienten trotz ihrer großen Hoffnungen dringend davon abraten, das sogenannte Liberation Treatment in Anspruch zu nehmen.“

Gesundheitszustand nach Eingriff an Halsvenen schlechter

Für die Studie wurde zunächst an zehn Patienten der endovaskuläre Eingriff vollzogen, ohne dass dabei schwere Nebenwirkungen aufgetreten wären. Dabei wurde die innere Drosselvene (Vena jugularis interna) oder die Vena azygos mit einem Ballonkatheter aufgeweitet. Nach der ersten Phase wurden weitere 19 Patienten in zwei Gruppen eingeteilt, von denen die eine den Eingriff an den Halsvenen erhielt und die andere einer Scheinbehandlung unterzogen wurde, bei der nur ein Katheter eingeführt wurde.

Nach sechs Monaten war der gesundheitliche Zustand der Patienten aus der ersten Gruppe schlechter als bei den Probanden aus der Placebogruppe. So war es in der Verumgruppe zu vier MS-Schüben gekommen, in der Kontrollgruppe hingegen nur zu einem Schub. Zudem wiesen die Patienten, die eine Venoplastie erhalten hatten, nach dem Eingriff nicht weniger Läsionen im Gehirn auf als die anderen Studienteilnehmer. Vielmehr zeigten sich Hinweise auf eine verstärkte Krankheitsaktivität.

Foto: © psdesign1 - Fotolia.com

Hauptkategorien: Gesundheitspolitik , Medizin
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