Suizidale Krise bei Depression: Kognitive Verhaltenstherapie kann helfen

Eine Kognitive Verhaltenstherapie kann bei Suizidgedanken helfen – Foto: ©Elnur - stock.adobe.com
Wer unter Depressionen leidet, ist um das 20-Fache stärker suizidgefährdet als andere Menschen. Im Auftrag des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat eine Arbeitsgruppe der Technischen Universität (TU) Berlin nun untersucht, ob ambulante, nichtmedikamentöse Maßnahmen Erwachsene mit unipolarer Depression dabei unterstützen können, suizidale Krisen besser zu bewältigen. In ihrem finalen Bericht stellten die Wissenschaftler fest, dass bestimmte Formen der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) depressive Gedanken, aber auch Suizidgedanken mindern und das Risiko für Suizidversuche reduzieren können. Für andere nichtmedikamentöse Therapien fehlten den Forschern zufolge aussagekräftige Studien.
Verhaltenstherapie kann suizidale Krisen mindern
Anhand der verfügbaren Studienergebnisse stellten die Wissenschaftler fest, dass bestimmte Formen der KVT als Ergänzung zu einer Standardbehandlung (z. B. medikamentöse Therapie oder Kriseninterventionsprogramme) bei der Bewältigung suizidaler Krisen helfen können: Depressive Symptome, Hoffnungslosigkeit, Suizidgedanken sowie (wiederholte) Suizidversuche lassen sich damit reduzieren.
Die Studiendaten wurden zu unterschiedlichen Messzeitpunkten nach Therapiebeginn erhoben. Während sich nach einem Monat so gut wie keine Vorteile zeigten, gab es insbesondere nach sechs Monaten Hinweise auf einen höheren Nutzen der Kognitiven Verhaltenstherapie bei der Reduzierung der Suizidneigung und des Suizidrisikos – zumindest wenn sie als Ergänzung zu einer Standardbehandlung eingesetzt wurde. Keine Anhaltspunkte gab es dafür, dass die KVT Auswirkungen auf Angst oder posttraumatischen Stress hat.
Bei Suizidgefahr ist schnelles Handeln erforderlich
Bei akuter Suizidgefahr oder nach einem Suizidversuch hat schnelles Handeln oberste Priorität: Betroffene sollten nach einem Klinikaufenthalt unmittelbar eine ambulante psychiatrische Behandlung erhalten. Denn gerade in den ersten Tagen und Wochen nach der Entlassung ist das Suizidrisiko noch hoch.
Die Nationale VersorgungsLeitlinie „Unipolare Depression“ gibt daher auch vor, dass sich unmittelbar an die Entlassung Nachuntersuchungen und Therapieangebote anschließen sollten, die neben Medikamenten auch eine auf Suizidneigung und -risiko ausgerichtete Psychotherapie umfassen können. Das gelingt allerdings in der Versorgung bisher oft nicht, wie das IQWiG berichtet. Nach dem Klinikaufenthalt bricht die Behandlung häufig ab.
Schwere Erreichbarkeit von Therapeuten verschlechtert Versorgung
Als Zugangsbarrieren zu hilfreichen Maßnahmen wurden identifiziert: Stigmatisierung, sozialer Rückzug, lange Wartezeiten auf Termine oder schwere Erreichbarkeit von Therapeuten, insbesondere im ländlichen Raum. Auch diese Faktoren tragen zu Behandlungsabbrüchen beim Übergang von stationärer zu ambulanter Betreuung bei.
Das Wissenschaftlerteam der TU Berlin schlägt daher unter anderem die enge multidisziplinäre Zusammenarbeit der beteiligten Psychiater, Psychotherapeuten und Hausärzte vor wowie den Ausbau von niedrigschwelligen Maßnahmen, beispielsweise der Telefonseelsorge oder auch webbasierter Angebote. Zur Wirkung solcher niedrigschwelligen Leistungen fehlen bisher allerdings verlässliche Studien.
Niedrigschwellige Angebote ausbauen
„Auch wenn es wegen der unzureichenden Studienlage bislang nur Hinweise auf einen Nutzen von KVT gibt, ist der Ausbau von ambulanten Versorgungsstrukturen und niedrigschwelligen Angeboten zur kontinuierlichen Behandlung von Menschen mit suizidalen Krisen bei unipolarer Depression wichtig für die bedarfsgerechte Versorgung, denn angesichts der Häufigkeit von Depressionen und der besonderen Verletzlichkeit der Betroffenen müssen sich Menschen mit Depression in suizidalen Krisen auf eine nahtlose Behandlung auch nach ihrem stationären Aufenthalt verlassen können“, so Laura Krabbe, Projektleiterin beim ThemenCheck Medizin des IQWiG.
Bei dem vorliegenden Bericht handelt es sich um einen HTA-Bericht. Die wissenschaftlichen Fragen der HTA-Berichte gehen zurück auf Vorschläge von Bürgern beim ThemenCheck Medizin des IQWiG. In ein solches Health Technology Assessment (kurz: HTA, engl. für Bewertung von medizinischen Technologien) soll die gesamte verfügbare externe Evidenz zur jeweiligen Fragestellung aufgefunden, kritisch beurteilt und bewertet werden. Somit fließen auch ökonomische, ethische, soziale, rechtliche und organisatorische Aspekte mit ein.
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