Sturzprophylaxe in Altenheimen rechnet sich
In Deutschland erleiden jedes Jahr mehr als 120.000 Menschen einen Oberschenkelhalsbruch. Betroffen sind vorwiegend ältere Menschen, Auslöser ist häufig ein Sturz. Fast ein Viertel der Oberschenkelhalsbrüche ereignen sich in Alten- und Pflegeheimen, das sind etwa 30.000 pro Jahr.
Ärzte vom Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart haben deshalb ein Programm speziell zur Prävention von Stürzen und Knochenbrüchen in Alten- und Pflegeheimen entwickelt. Das Präventionsprogramm besteht aus einem speziellen Kraft- und Balancetraining für ältere Menschen, einfachen Maßnahmen für ein sicheres Wohnen und einer gezielten Unterstützung durch das Heimpersonal. Wie Studienleiter PD Dr. Clemens Becker von der Klinik für Geriatrische Rehabilitation am Robert-Bosch-Krankenhaus betont, kommt das Programm ganz ohne Medikamente aus. Daten zeigen, dass das multimodale Konzept zur Sturzprophylaxe äußerst erfolgreich ist.
Oberschenkelhalsbruch-Prävention könnte bis zu 40 Millionen Euro pro Jahr sparen
Das Präventionsprogramm wurde nämlich in einer Studie mit mehr als 20.000 Pflegeheimbewohnern in 250 Pflegeheimen in Bayern erprobt und konnte innerhalb von einem Jahr die Zahl der Stürze um 20 Prozent und die Zahl der Oberschenkelhalsbrüche um 18 Prozent verringern. Würde das Präventionsprogramm in allen deutschen Alten- und Pflegeheimen eingeführt, ließe sich fast ein Fünftel der Oberschenkelhalsbrüche, also rund 5.000, verhindern, meint Becker. Zudem spart das Präventionsprogramm Geld. „Die Behandlung einer jeden Hüftfraktur kostet etwa 8.000 Euro. Bei 5.000 verhinderten Brüchen könnte das also für das Gesundheitssystem ein Einsparpotenzial von bis zu 40 Millionen Euro bedeuten“, rechnet Dr. Becker vor. Die Kosten für die Sturzprophylaxe hingegen betragen für jedes Heim pro Jahr rund 5.000 Euro.
Inzwischen wird das neue Präventionsprogramm, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt wird, zur Sturzprophylaxe in rund 2.000 Alten- und Pflegeheimen in ganz Deutschland eingesetzt. Ziel der Präventionsforscher ist es aber, das Programm in allen rund 10.000 Alten- und Pflegeheimen zu etablieren. „Viele Heime setzen auch heute noch auf freiheitseinschränkende Maßnahmen, um ihre Bewohner vor Stürzen zu schützen. Hierzu zählen zum Beispiel Bauchgurte, Bettgitter oder abgeschlossene Türen“, berichtet Becker. Das sei aber nach den Ergebnissen der Studie der falsche Weg. „Wir plädieren deshalb für ein gezieltes Training statt einer Einschränkung der Bewegung!“
Kniebeugen statt Bettruhe
Die Trainingskomponente des Programms umfasst etwa Kniebeugen zum Aufbau von Muskulatur; und den Gleichgewichtssinn trainieren die Pflegeheimbewohner zum Beispiel beim Tanzen. Auch der nächtliche Toilettengang wird so sicher wie möglich gestaltet. Denn das sind laut Becker tatsächlich die gefährlichsten Meter. „Demenzpatienten, die hierbei besonders unterstützt werden müssen, statten wir falls nötig mit einem Sensor aus. Dieser Sensor registriert, wenn die Patienten nachts aufstehen und ruft dann automatisch eine Pflegekraft.“ Trotz umfassender Maßnahmen lassen sich nicht alle Stürze vermeiden. Deshalb empfiehlt der Präventionsforscher älteren Menschen, Hüftprotektoren zu tragen, die schwere Folgen eines Sturzes verhindern können.
Foto: © Robert Kneschke - Fotolia.com