
Auch die teuerste Anti-Aging-Creme ist letztlich machtlos: Für das Altern ist eine Reihe hochkomplexer, vielfach noch ungeklärter Mechanismen verantwortlich. – Foto: AdobeStock/transurfer
Das Alter ist schneller da, als es einem lieb ist. Weil viele vielleicht alt werden wollen, aber nicht alt sein, treiben sie Sport, gehen zum Schönheitschirurgen oder investieren viel Geld in Anti-Falten-Kosmetik. In der Medizin gibt es – oder gab es? – bisher drei Behandlungsansätze, denen Experten zutrauten oder zuschrieben, dass sie das Altern zumindest verlangsamen. Alle drei sind jetzt offenbar entthront. Das zeigt eine gemeinsame Studie unter Federführung des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Kooperation mit Helmholtz Munich und dem Deutschen Zentrum für Diabetes (DZD).
Die drei bisher anerkannten Anti-Aging-Methoden
Insbesondere drei medizinische Ansätze galten bisher unter Experten als akzeptierte Anti-Aging-Methoden:
- Die erste Methode ist das intermittierende Fasten – auch Intervallfasten genannt –, bei dem die aufgenommenen Kalorien reduziert werden.
- Die zweite setzt an einem zentralen Knotenpunkt des Zellstoffwechsels (mTOR) an, der auch Ziel des vermeintlichen „Anti-Aging-Medikaments“ Rapamycin ist.
- Nummer drei wiederum greift in die Freisetzung des Wachstumshormons ein.
„Die innere Uhr des Alterns kann man nicht mit einem Schalter regulieren“
Im aktuellen Forschungsprojekt an Mäusen erwiesen sich diese Behandlungen jedoch als weitgehend wirkungslos, was den vermeintlichen Einfluss auf das Altern angeht. „Es gibt keine innere Uhr des Alterns, die man mit einem einfachen Schalter regulieren könnte – zumindest nicht in Form der hier untersuchten Behandlungen“, bilanziert Dan Ehninger vom DZNE, der Initiator der Studie, die jetzt im Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlicht wurde.
Für ihre Untersuchung entwickelten die Forscher der drei deutschen Institute ein neues Verfahren, mittels dessen sich die Alterung von Organismen messen lässt. Dies bedeutet eine Abkehr von bisherigen Forschungswegen und offenbar eine Neuorientierung. „Viele Forscherinnen und Forscher haben in den vergangenen Jahrzehnten die Lebensspanne als indirektes Maß für das Altern herangezogen“, erläutert Ehninger, der leitender Wissenschaftler am DZNE ist. Wie alt werden also beispielsweise Mäuse – und wie lässt sich diese Lebensspanne verlängern?
Mausversuch zeigt: Alte sterben selten einfach an Altersschwäche
„In der Forschung wird auf dieser Grundlage bis heute angenommen, dass sie langsamer altern, wenn sie nur länger leben. Das Problem ist aber, dass Mäuse ebenso wie viele andere Organismen nicht an genereller Altersschwäche sterben, sondern an sehr speziellen Krankheiten“, sagt Ehninger. Bis zu 90 Prozent der Mäuse sterben beispielsweise an Tumoren, die sich in hohem Alter in ihrem Körper bilden. „Wenn man jetzt also das ganze Genom auf Faktoren untersucht, die Mäuse langlebig machen, dann müsste man eigentlich solche Gene finden, die die Tumorentstehung unterdrücken – und nicht solche, die bei generellen Alterserscheinungen eine Rolle spielen.“
Neuer Ansatz: Ein aktuelles Gesundheits-Lagebild aus 100 Faktoren
Für ihre Studie wählten die Wissenschaftler deshalb einen Ansatz, bei dem nicht die Lebensspanne im Mittelpunkt steht, sondern eine umfassende Untersuchung der altersabhängigen Veränderung verschiedenster Körperfunktionen. „Man kann sich das so vorstellen wie eine komplette Erhebung des Gesundheitszustands“, sagt Martin Hrabě de Angelis, Leiter des Instituts für Experimentelle Genetik und Direktor der German Mouse Clinic am Helmholtz Munich: „Der Gesundheitscheck ergibt ein Kompendium aus hunderten Faktoren, die sehr viele Bereiche der Physiologie abdecken“ – eine exakte Zustandsbeschreibung also im Moment der Untersuchung.
Mit diesem Studiendesign lässt sich laut DZNE zielgenau feststellen, ob sich der natürliche Alterungsprozess im Einzelnen aufhalten lässt und mit ihm die Verschlechterung der körperlichen Funktionen, wenn die drei bekannten Anti-Aging-Methoden angewandt werden.
Kritik: Anti-Aging-Methoden sind nur gesundheitsfördernd – nicht altersbekämpfend
Das Ergebnis war eindeutig: Zwar konnten die Forschenden einzelne Fälle feststellen, in denen alte Mäuse jünger aussehen, als sie in Wirklichkeit sind – „aber dieser Effekt kam nicht durch eine Verlangsamung des Alterns zustande, sondern durch altersunabhängige Faktoren“, sagt Studien-Initiator Ehninger. „Die Tatsache, dass eine Behandlung bereits in jungen Mäusen – vor dem Auftreten von Alterserscheinungen – ihre Wirkung entfaltet, belegt, dass es sich um kompensatorische, allgemein gesundheitsfördernde Effekte handelt und nicht um ein Ansetzen an Alterungsmechanismen.“
Was macht das „Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen“?
Das DZNE ist ein von Bund und Ländern gefördertes Forschungsinstitut, das bundesweit zehn Standorte umfasst. Es widmet sich Erkrankungen des Gehirns und Nervensystems wie Alzheimer, Parkinson und ALS, die mit Demenz, Bewegungsstörungen und anderen schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Gesundheit einhergehen.
Gemeinsamt ist all diesen Erkrankungen, dass es für sie bis heute keine Heilung gibt; und dass sie eine enorme Belastung für unzählige Betroffene, ihre Familien und das Gesundheitssystem bedeuten. Ziel des DZNE ist es, das langfristig zu ändern – durch neuartige Strategien der Vorsorge, Diagnose, Versorgung und Behandlung.