Stress ist ansteckend
Stress gilt heute als ein wichtiger Krankheitsauslöser. Umso wichtiger ist der Befund einer aktuellen Studie des Leipziger Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften und er TU Dresden. In der Studie konnte die Übertragung von Stress auf andere Menschen anhand der Ausschüttung des Stresshormons Kortisol gemessen werden. Das Ergebnis war eindeutig: Stress hat ein enormes Ansteckungspotenzial. In der Studie mussten sich die Probanden verschiedenen Stresstests unterziehen. In einem Test waren sie direktem Stress ausgesetzt und mussten unter Beobachtung von vermeintlichen Verhaltensanalysten schwierige Kopfrechenaufgaben lösen oder Vorstellungsgespräche meistern. 95 Prozent der unter Stress stehenden Probanden zeigten eine bedeutsame Erhöhung des Kortisol-Spiegels und nur fünf Prozent ließen sich nicht aus der Ruhe bringen.
Empathischer Stress ist messbar
Aber auch wenn die Probanden selbst keinerlei Stress ausgesetzt waren, sondern nur Menschen in Stress-Situationen zuschauten, kam es bei 26 Prozent zu einer signifikanten Ausschüttung des Stresshormons Kortisol. Der Effekt war besonders stark, wenn Beobachter und gestresste Person eine partnerschaftliche Beziehung verband (40 Prozent), aber auch bei völlig fremden Menschen sprang der Stress immerhin noch auf zehn Prozent der Beobachter über. „Emotionale Verbundenheit ist demzufolge keine Voraussetzung für empathischen Stress“, kommentiert Studienleiterin Veronika Engert die Studienergebnisse.
Selbst wenn der Stresstest nur auf dem Fernseher lief, reichte das aus, um bei 24 Prozent der Beobachter die Kortisol-Spiegel in die Höhe zu treiben. „Das bedeutet, dass selbst Fernsehsendungen, die mich mit dem Leid anderer konfrontieren, den Stress auf mich übertragen können“, sagt Engert, die selbst von den Studienergebnissen überrascht war. „Dass wir diesen empathischen Stress in Form einer bedeutsamen Hormonausschüttung wirklich messen konnten, war schon erstaunlich.“ Schließlich gelinge es in vielen Untersuchungen nicht, das Stresssystem mittels direkt erlebtem Stress zu aktivieren.
"Ansteckungsgefahr" -Männer genauso empathisch wie Frauen
Männer und Frauen reagierten in den Stresstests übrigens gleichermaßen empathisch, auch wenn sich Frauen in Befragungen deutlich empathischer einschätzen. „Bisher konnte das jedoch noch in keinem Experiment, das objektive biologische Marker verwendete, nachgewiesen werden“, so Forscherin Engert. Da erhöhte Kortisol-Werte auf Dauer nicht gut sind, wollen die Wissenschaftler nun untersuchen, wie genau der Stress übertragen wird und was getan werden kann, um den negativen Einfluss von Stress auf die Gesellschaft zu verringern. Davon könnten insbesondere Menschen in Helferberufen oder Angehörige von dauergestressten Personen profitieren. Sie sind nämlich einem erhöhten Risiko ausgesetzt, an empathischem Stress zu leiden.
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