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Spinale Muskelatrophie erstmals behandelbar

Sonntag, 11. März 2018 – Autor:
Die spinale Muskelatrophie ist bislang unheilbar. Mit einer neuen Gentherapie kann das Fortschreiten der seltenen Erbkrankheit jetzt erstmals verzögert werden. Dafür gab es einen "erheblichen Zusatznutzen" vom G-BA.

Neue Gentherapie verzögert Progression: Nusinersen für alle Patienten mit 5q spinaler Muskelathrophie zugelassen – Foto: Konstantin Yuganov - Fotolia

Noch nie hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) einem Arzneimittel zur Behandlung einer seltenen Erkrankung einen „erheblichen Zusatznutzen“ attestiert. Vor wenigen Wochen war das nun der Fall: Dem Arzneimittel Nusinersen (Handelsname: Spinraza®) zur Behandlung der spinalen Muskelatrophie (SMA) wurde ein Zusatznutzen der höchsten Kategorie bescheinigt. Der „erhebliche Zusatznutzen“ gilt für die meist besonders schwer betroffenen Patienten mit früh einsetzender SMA.

Orphan-Drug-Status

„Wir sind sehr erfreut über dieses Ergebnis. Nusinersen ist das erste und einzige Medikament zur Behandlung spinaler Muskelatrophie und ein großer Durchbruch“, sagte Dr. Steffen Wagner, Geschäftsführer von Nusinersen-Hersteller Biogen Deutschland. „Wir sind stolz darauf, dass wir Patienten in Deutschland dieses Arzneimittel zur Verfügung stellen können.“

Nusinersen besitzt einen „Orphan-Drug-Status und ist seit Mai 2017 als erste und einzige medikamentöse Therapie zum Einsatz bei 5q-assoziierter spinaler Muskelatrophie (kurz: 5q-SMA) in Europa  zugelassen. Es ist das erste Medikament gegen die fatale Erbkrankheit, bei der bestimmte Nervenzellen absterben und die Muskulatur degeneriert. Manche Kinder lernen dadurch nie zu sitzen oder zu laufen. Bei der schwersten Verlaufsform überlebt nicht einmal ein Viertel der Kinder ohne künstliche Beatmung die Diagnose um mehr als zwei Jahre. Eine ursächliche Therapie gibt es für die neuromuskuläre Erkrankung es nicht.

Ersetzt ein fehlendes Protein

Das neue Medikament kann das Fortschreiten der Erkrankung jedoch hinauszögern. Nusinersen greift in zelluläre Prozesse am sogenannten SMN2-Gen (Survival of Motor Neuron 2) ein. Dadurch kann es zu einer erhöhten Produktion von vollständigem und funktionsfähigem SMN-Protein kommen, das den Betroffenen aufgrund eines Gendefekts fehlt. Durch die Injektionen ins Nervenwasser des Rückenmarks kann das Überleben der Motoneuronen im Rückenmark und im unteren Hirnstamm sichergestellt werden – jedenfalls für eine gewisse Zeit.

„Mit Nusinersen können Patienten motorische Meilensteine und eine Verbesserung der Muskelfunktion erreichen, die bei einem unbehandelten Krankheitsverlauf bislang nicht beobachtet werden konnten“, fasst Wagner die Ergebnisse der beiden Studien ENDEAR und CHERISH zusammen. Bei den Patienten im Studienprogramm verbesserten sich unter Nusinersen die motorischen Fähigkeiten sowie weitere Parameter signifikant. Dennoch: Eine Heilung ist auch mit der neuen Gentherapie nicht möglich. Auch in den genannten Studien hatten einige Kinder nicht überlebt.

Foto: © ondrooo - Fotolia.com

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