So kommen Babys sicher durch die Nacht

Auf dem Rücken schlafen lassen: Der wichtigste Ratschlag von Kinderärzten, um Säuglinge vor dem sogenannten plötzlichen Kindstod in der Nacht zu bewahren. – Foto: AdobeStock/famveldman
Die beruhigende Nachricht vorweg: Deutschland gehört zu den Ländern mit der niedrigsten Säuglingssterblichkeit weltweit. Auch die Fälle von sogenanntem plötzlichem Kindstod über Nacht konnten in den vergangenen 30 Jahren um 93 Prozent gesenkt werden. Starben im Jahr 1991 noch 1.285 Säuglinge plötzlich und unerwartet, so waren es 2020 noch 84. Tatsache ist aber auch: Trotz dieser erfreulichen Entwicklung steht hierzulande und in anderen Industriestaaten das „sudden infant death syndrome“ (SIDS) an der Spitze der Todesursachen bei Babys. Und jedes tote Baby ist eines zu viel.
Wissen rettet Kinderleben
„Die radikale Wende ereignete sich ganz ohne neue Medikamente oder medizinischen Eingriffe – sie geschah allein durch die intensive Aufklärung der Familien über das richtige Verhalten und über die notwendigen Vorbeugemaßnahmen!“, berichtet Professor Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Das bedeutet: In den letzten 30 Jahren verdanken mehrere tausend Kinder in Deutschland den wirksamen Kampagnen zur Prävention von SIDS ihr Leben. Wissen rettet Kinderleben.“
Plötzlicher Kindstod: Ohne erkennbare Anzeichen
Für den plötzlichen Kindstod gibt es der Stiftung Kindergesundheit zufolge keine erkennbaren Zeichen, keine vorhersehbaren Auslöser. Die Mehrzahl der Unglücksfälle ereignet sich in den Wintermonaten. Männlich Säuglinge sind mit 60 Prozent der Fälle stärker betroffen als weibliche.
Unglück aus heiterem Himmel
Das betroffene Baby verhält sich noch am Tag zuvor unauffällig und macht einen quicklebendigen Eindruck. Und dann geschieht doch das Undenkbare und Unerklärliche: Am Abend haben Mutter oder Vater ihr scheinbar gesundes Kind zum Schlafen gelegt, morgens finden sie ihr Baby still und leblos im Bettchen. Der Arzt kann für das Unglück auch bei gründlicher Untersuchung keine zum Tode führende Ursache, keinen eindeutigen medizinischen Grund oder äußeren Umstand entdecken.
Mögliche Ursachen für den plötzlichen Kindstod
Über die Ursachen des plötzlichen Kindstods sind im Laufe von Jahrzehnten viele Theorien aufgestellt und wieder verworfen wurden. Bisher gehen Fachleute davon aus, dass mehrere innere und äußere Faktoren zugrunde liegen können, wenn ein Baby an SIDS stirbt. Dazu gehören:
- die Gefährdung des Kindes aufgrund einer angeborenen Veranlagung,
- das Vorliegen einer kritischen Entwicklungsphase, zum Beispiel die Reifungsprozesse von Herz und Lunge zwischen dem zweiten und vierten Lebensmonat,
- äußere Stressfaktoren.
Auch wenn die Ursachen bisher nicht endgültig wissenschaftlich geklärt werden konnten, so existiert doch eine Reihe von Erfahrungswerten dafür, was Eltern tun können. „Während die ersten beiden Faktoren nicht beeinflusst werden können, steht mittlerweile fest, dass sich das Risiko des unerklärlichen nächtlichen Todes allein durch die Berücksichtigung weniger Empfehlungen mit großer Wahrscheinlichkeit vermindern lässt“, heißt es bei der Stiftung Kindergesundheit, die Eltern folgende Ratschläge gibt:
Wichtig: Babys sollen immer auf dem Rücken schlafen
Die wichtigste Regel zur Verhinderung des plötzlichen Säuglingstods lautet dabei, eine Bauchlagerung des Babys kompromisslos zu vermeiden, unterstreicht die Stiftung Kindergesundheit. Die meisten Säuglinge, die unerwartet und ohne Grund im Schlaf sterben, werden demnach auf dem Bauch liegend aufgefunden, mit dem Gesicht nach unten oder zur Seite. Babys, die auf dem Rücken liegen, bewegen sich mehr während des Schlafs und geben über Kopf und Arme auch mehr überschüssige Wärme ab.
Auch die Seitenlage ist weniger empfehlenswert: Aus dieser instabilen Position können Babys auf den Bauch rollen. Ist das Baby wach, darf es gern auf dem Bauch liegen. Als Schlafposition jedoch sollte die Bauchlage unbedingt so lange wie irgend möglich vermieden werden.
Am sichersten schläft das Kind im Schlafsack
Babys schlafen am sichersten in einem Schlafsack ohne zusätzliche Bettdecke. Im Gegensatz zu Bettdecken lassen sich Babyschlafsäcke nicht wegstrampeln oder über den Kopf ziehen. Zu empfehlen sind Babyschlafsäcke, die mit einem Brustteil und zwei kleinen Öffnungen für die Arme so verschlossen sind, dass das Kind nicht in den Schlafsack hinein oder herausrutschen kann. Die Halsöffnung darf deshalb nicht größer als der Kopfumfang sein. Das Bett eines Babys sollte eine feste und relativ wenig eindrückbare Matratze haben.
Es gehören keine weichen Unterlagen hinein, in die das Kind mit dem Gesicht einsinken könnte, also kein Kopfkissen oder Schaffell und auch kein Nestchen. Verzichten sollte man auch auf das Kuscheltier, das die Atemwege verschließen könnte oder kleine Teile hat, die das Baby verschlucken oder in die Atemwege bekommen könnte.
Aktuelle Empfehlungen der Akademie der US-Kinderärzte
Die Akademie der US-amerikanischen Kinderärzte (AAP) hat ihre Empfehlungen für einen sicheren Schlaf von Säuglingen soeben aktualisiert. Die Institution bestätigt und ergänzt die bereits genannten Ratschläge um folgende:
- In Autositzen, Kinderwagen, Babyschalen und Babytragetüchern sollten Babys nur unter Aufsicht schlafen.
- Stillen, vor allem in den ersten Lebensmonaten, verringert das Risiko schlafbezogener Todesfälle. Das Kind sollte allerdings nach dem Stillen wieder in sein Bettchen gelegt werden.
- Schnuller zum Schlafengehen reduzieren ebenfalls das SIDS-Risiko.
- Eine Überwärmung sollte vermieden werden.
- Mütter sollten während der Schwangerschaft und nach der Geburt das Rauchen, Alkohol, Opioide, Marihuana und illegale Drogen meiden.
- Babys sollten in den ersten sechs Monaten im Zimmer der Eltern schlafen, in der Nähe des elterlichen Bettes, aber im eigenen Bettchen beziehungsweise auf einer separaten Liegefläche. Couch, Sofa oder Sessel sind für Säuglinge zum Schlafen ungeeignet.
Kontrovers diskutiert: Das Schlafen im gemeinsamen Bett
Die Akademie der US-Kinderärzte warnt ausdrücklich: „Gemeinsames Schlafen ist eine gefährliche Praxis mit schwerwiegenden Folgen. Wenn ein Elternteil, ein Geschwisterkind oder eine andere Person zusammen mit dem Säugling auf der gleichen Oberfläche in einem Bett, auf einem Stuhl oder auf der Couch schläft, erhöht sich das Erstickungsrisiko um mehr als das 60-fache“.
Während über die Notwendigkeit der meisten Empfehlungen unter den Fachgesellschaften, Ärzten und Eltern weitgehende Einigkeit herrscht, wird diese Warnung vor dem gemeinsamen Schlafen (englisch: Bedsharing) seit geraumer Zeit kontrovers diskutiert, berichtet die Stiftung Kindergesundheit.
Vor allem Stillorganisationen empfehlen das Schlafen gestillter Babys in unmittelbarer Nähe der Mutter. Der Grund: Getrennte Betten erschweren das Stillen. Beim Schlafen im selben Bett können die Mütter schneller auf ihr unruhiges Baby reagieren und können es gleich stillen, ohne aufstehen zu müssen. So werden die Stillraten und auch die Stilldauer nachweislich positiv beeinflusst – ein großer Vorteil für die Gesundheit des Babys.
Dennoch raten die meisten wissenschaftlichen Organisationen und Verbände weiterhin zu getrennten Betten. So schreibt die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) in ihrem Elternratgeber mit dem Titel „Sicherer Schlaf für mein Baby“: „Lassen Sie Ihr Kind im Elternschlafzimmer schlafen, aber immer im eigenen Bett!“