So gehen Forscher gegen den Sehverlust bei Makuladegeneration vor
Die Makuladegeneration ist eine bisher unheilbare Erkrankung des Auges. Dabei degeneriert die Makula, eine kleine lichtempfindliche Struktur am Augenhintergrund, zunehmend. Betroffene behalten zwar ihr peripheres Sehvermögen, verlieren aber mit der Zeit das Zentrum ihres Blickfelds. Eine Behandlung kann das Fortschreiten der Erkrankung etwas verzögern. Bis dato gibt es jedoch keine Möglichkeit, die verlorene Lichtempfindlichkeit wiederherzustellen.
An diesem Punkt setzt ein Forschungsprojekt der Universität Basel an. Mit einer speziellen Gentherapie ist es ihnen gelungen, blinde Netzhauzellen(Retina) von Mäusen und Organspendern für Nahinfrarotlicht zu sensibilisieren.
Infrarotsensor in Netzhaut eingebaut
«Die Lichtempfindlichkeit wiederherzustellen, kann letztlich die Lebensqualität der Betroffenen und ihre Möglichkeiten zur Teilnahme am Alltag verbessern», sagt Prof. Dr. Botond Roska, Professor für Vision Research an der Universität Basel und Direktor am Institut für Molekulare und Klinische Ophthalmologie Basel (IOB).
Infrarotlicht ist für das menschliche Auge zwar nicht sichtbar, jedoch sehen zum Beispiel Schlangen im Infrarotbereich, in dem sie wärmeempfindliche Proteine, sogenannte Transient Receptor Potential (TRP) Ionenkanäle, verwenden, um die von ihren Beutetieren ausgesandte Infrarotstrahlung wahrzunehmen. Das hat die Forscher um Professor Botond Roska inspiriert, blinde Netzhautzellen mit einem Infrarotsensor auszustatten.
Gentherapie mit drei Komponenten
Die neue Gentherapie besteht aus einem DNA-Abschnitt, der für einen TRP-Ionenkanal kodiert, einem Goldnanopartikel, der Nahinfrarotlicht absorbiert, und einem Antikörper, der den Nanopartikel und den Ionenkanal miteinander verbindet. Diese drei Komponenten wurden mit einer viralen Genfähre in die Netzhautzellen eingeschleust.
„Die Gold-Nanopartikel absorbieren Nahinfrarotlicht und geben dann eine geringe Menge an Wärme ab. Als Reaktion darauf öffnen sich die TRP-Ionenkanäle und lösen Nervenimpulse aus, die jenen beim normalen Sehen gleichen“, beschreiben die Wissenschaftler das Prinzip, das anschließend an zwei Modellsystemen getestet wurde: an Mäusen, die aufgrund einer Genveränderung eine Netzhautdegeneration entwickeln und erblinden, sowie an Netzhäuten, die von menschlichen Organspendern stammen.
Blinde Mäuse reagieren auf Licht
Experimente mit behandelten Labormäusen ergaben, dass die Nager auf ein Lichtsignal im Nahinfrarotbereich reagierten, das Licht also wahrnehmen konnten. Außerdem zeigten Messungen der Nervenimpulse, dass die Signale bis in die Hirnareale für die Verarbeitung visueller Reize gelangen. Die weiteren Tests mit Netzhäuten von Organspendern bestätigten die Funktionsfähigkeit des Systems.
Der neue Ansatz baut auf der sogenannten optogenetischen Therapie auf, mit der eine völlige Erblindung verhindert werden soll. Das Verfahren stützt sich auf eine Brille, die helles sichtbares Licht auf die Netzhaut projiziert, ist für die Makuladegeneration jedoch ungeeignet. „Die Lichtprojektion würde jene Patienten überfordern, die lediglich ihr zentrales Sehvermögen verloren haben“, erklärt die Erstautorin der Studie Dr. Dasha Nelidova. Bei einer Makuladegeneration sei daher Licht einer anderen Wellenlänge nötig, das funktionierende Zellen in der Netzhaut nicht sehen können.
„Wir hoffen, mit unserem Ansatz eines Tages die Makula bei Patienten, die noch peripheres Sehen haben, wieder für Licht sensibilisieren können“, beschreibt Nelidova das Ziel. Bis die neue Strategie gegen Sehverlust bei Makuladegeneration erstmals an Patienten angwendet werden kann, sind noch viele präklinische Versuche nötig.
Die Studie “Restoring light sensitivity using tunable near-infrared sensors” ist jetzt im Fachjournal «Science» erschienen.
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