Sind Affenpocken eine „sexuell übertragbare Krankheit“?

Was bei den Affenpocken auffällig ist: Betroffen sind fast nur Männer, die Sex mit Männern haben – bisher jedenfalls. – Foto: AdobeStock/pololia
Aids, Hepatitis B, Herpes genitalis, Chlamydien und Syphilis: Diese Krankheiten kann man sich beim (ungeschützten) Sex einfangen – und nur da. Aktuell in den Schlagzeilen sind in diesem Kontext derzeit die Affenpocken. Bisher wurde diese als harmlos angesehene Infektionskrankheit praktisch nur von Wildtieren auf Menschen übertragen und nur äußerst selten von Mensch zu Mensch. Ist das jetzt anders? Und gehören die Affenpocken möglicherweise schon jetzt oder künftig zu den „sexuell übertragbaren Krankheiten“?
Europa gilt inzwischen als Epizentrum der Affenpocken
Bisher gab es Affenpocken-Infektionen praktisch nur in West- und Zentralafrika. Im Mai gab es die ersten Fälle in Europa: erst Portugal und Spanien, dann England. Ende Mai wurde in München die erste Infektion in Deutschland bestätigt. Nur zwei Tage später gab es den ersten Fall in Berlin. Innerhalb von zweieinhalb Monaten haben sich die Affenpocken-Fälle weltweit vervielfacht. 26.556 Fälle registriert die WHO aktuell (Stand 08.08.2022). 2.887 Fälle gibt es laut Robert-Koch-Institut derzeit in Deutschland (Stand 05.08.2022). Was die WHO derzeit beunruhigt, ist der aktuelle Ausbruch in Dutzenden Ländern gleichzeitig – und ein auffällig starker in einer Region, in der Affenpocken nie ein Thema waren: in Europa. EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides bezeichnete Europa kürzlich wegen der besonders hohen Fallzahlen gar als das „Epizentrum“ der Krankheit.
Affenpocken: WHO erhöht die internationale Warnstufe
Die schnelle Verbreitung, das Risiko einer weiteren internationalen Streuung und mögliche ungeklärte Übertragungswege haben die Weltgesundheitsorganisation dazu bewogen, Ende Juli zum ersten Mal nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie eine „gesundheitliche Notlage mit internationaler Tragweite“ auszurufen. Auffällig ist: Von Infektionen betroffen sind fast ausschließlich Männer, die sexuell aktiv sind, Sex mit anderen Männern haben, und auch häufig ihre Partner wechseln. Bekommt man die Affenpocken also beim Sex?
RKI: „Übertragung in erster Linie bei sexuellen Aktivitäten“
„Die Übertragungen erfolgen in diesem Ausbruch nach derzeitigen Erkenntnissen in erster Linie im Rahmen von sexuellen Aktivitäten, aktuell insbesondere bei Männern, die sexuelle Kontakte mit anderen Männern haben", schreibt das Robert-Koch-Institut (RKI) in seinem aktuellen Lagebild. Dem Institut sind bisher nur sechs weibliche Fälle in Deutschland übermittelt worden.
Das Risiko, sich mit Affenpocken anzustecken, gilt als besonders hoch, wenn man besonders engen Körperkontakt hat, wenn man die Pocken (Hautveränderungen) berührt oder mit der Flüssigkeit, die sich in den Pockenbläschen befindet, in Kontakt kommt.
Wie man sich mit Affenpocken infizieren kann
„Eine Ansteckung ist aber auch schon möglich, bevor Hautveränderungen sichtbar sind“, warnt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Demnach kann das Virus zum Beispiel
- durch Tröpfchen in der Atemluft in Gesprächssituationen übertragen werden,
- bei Kontakt mit Körperflüssigkeiten (zum Beispiel Speichel) oder
- bei Kontakt mit Sexspielzeug, wenn es gemeinsam mit einer Person, die sich mit Affenpocken angesteckt hat, genutzt wird, oder
- wenn das Virus auf Schleimhäute von Augen, Mund, Nase, Penis, Anus oder Vagina gelangt, und selbst
- bei bloßem Kontakt zu Gegenständen einer Person, die sich mit den Affenpocken angesteckt hat: Kleidung, Bettwäsche, Handtüchern und Essgeschirr.
- Das Virus kann auch in kleinste Verletzungen der Haut eindringen.
BZgA: „Affenpocken werden beim Sex übertragen – aber wohl nicht durch Sex“
„Ob Affenpocken beim Sex über Sperma oder Vaginalflüssigkeit übertragen werden, ist derzeit nicht abschließend geklärt, scheint aber möglich“, so die aktuelle Einschätzung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Der durch Affenpocken ausgelöste Hautausschlag könne auch an den Genitalien und im Mund auftreten. „Das kann das Ansteckungsrisiko beim Sex erhöhen“, so die BZgA.
Affenpocken-Risiko nicht auf sexuell aktive Menschen beschränkt
Bekommt man Affenpocken also beim Sex – ja oder nein? „Affenpocken gehören nicht zu den sexuell übertragbaren Infektionen“, heißt es bei der Bundeszentrale, „sie können jedoch auch bei sexuellen Kontakten übertragen werden.“ Das Risiko, sich mit Affenpocken anzustecken, ist gleichzeitig nicht auf sexuell aktive Menschen beschränkt. „Jeder Mensch, der engen körperlichen Kontakt mit einer ansteckenden Person hat, kann sich anstecken.“