Schlaganfall: Neue Leitlinie empfiehlt Thrombektomie
Rund 80 Prozent aller jährlich 250.000 Schlaganfälle werden in Deutschland durch ein Blutgerinnsel (Thrombus), das ein Blutgefäß verschließt, verursacht. Als Folge können Teile des Gehirns nicht mehr mit Blut versorgt werden. Die beste Behandlung besteht bisher darin, die Patienten möglichst rasch – innerhalb von 4,5 Stunden - mit einer Infusion des Medikaments Alteplase (rt-PA) zu behandeln. Der Wirkstoff kann das Blutgerinnsel in den Hirnarterien auflösen.
Diese Lysetherapie ist in allen deutschen Schlaganfalleinheiten (Stroke Units) Standard. Allerdings können mit dieser Therapie nur etwa 50 bis 60 Prozent der großen Blutgerinnsel beseitigt werden. An Kliniken, die eine Stroke Unit besitzen, gibt es für große Blutgerinnsel, die sich sicher orten lassen, eine neue Therapie-Option: die Thrombektomie. Sie sollte innerhalb von sechs Stunden vorgenommen werden.
Schlaganfall: Stent-Retriever umschließt das Blutgerinnsel
Speziell ausgebildete Neuroradiologen schieben von der Leiste aus einen Katheter bis an die Stelle des Gehirns, wo das Blutgerinnsel eine Arterie blockiert hat. Der Katheter durchbohrt den Thrombus und umschließt das Gerinnsel mit einem so genannten Stent-Retriever wie ein Drahtkäfig. Anschließend kann es über einen Hohlkatheter abgesaugt werden.
„Diese Behandlungsmethode, auch mechanische Thrombektomie genannt, wurde in den letzten Jahren so weit verfeinert, dass fast 90 Prozent der Gefäße wieder eröffnet werden können“, sagt Prof. Hans-Christoph Diener, Direktor der Klinik für Neurologie am Uniklinikum Essen und Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN).
Schlaganfall: Neue Leitlinie empfiehlt Thrombektomie
Eine kürzlich in der Fachzeitschrift Lancet publizierte Meta-Analyse fasst die Ergebnisse von fünf Studien zusammen und zeigt, dass vielen Patienten durch die Thrombektomie schwerwiegende Behinderungen infolge des Schlaganfalls erspart blieben. Die Thrombektomie soll daher möglichst schnell möglichst vielen Patienten zugutekommen, teilten die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG), die DGN und die Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) gemeinsam mit.
Die Behandlungs-Leitlinie wurde denn auch entsprechend ergänzt. Erst-Autor Prof. Peter Ringleb, Mitglied im Vorstand der DSG und Leiter der Sektion Vaskuläe Neurologie am Universitätsklinikum Heidelberg, erläutert: „Im Regelfall werden beide Therapien – die Lysetherapie und die mechanische Thrombektomie – miteinander kombiniert.“
Schlaganfall: Lyse und Thrombektomie kombiniert
Im Ärzte-Jargon heißt das „Drip-and-ship“. Da eine Katheterbehandlung derzeit nur an bestimmten Kliniken möglich ist, wird der akute Schlaganfallpatient zuerst in die nächste Stroke Unit gebracht, um ohne Zeitverzug mit der Lysetherapie zu beginnen („drip“). Dort entscheiden die Ärzte umgehend, ob eine mechanische Thrombektomie in Frage kommt und der Patient mit dem Rettungswagen in eine Klinik transportiert („ship“) werden soll, in der die Katheterbehandlung möglich ist.
Erprobt wurde das Procedere vom neurovaskulären Rhein-Ruhr Netzwerk. Zu dem gehörten zum Zeitpunkt der Studie 17 Stroke Units im Ruhrgebiet, von denen acht rund um die Uhr eine Katheterbehandlung anbieten. Beobachtet wurden dabei 643 Patienten. „Die Überlebensrate der Patienten, die aus anderen Kliniken überwiesen wurden, war vergleichbar mit jenen, die in den Zentren direkt behandelt wurden“, so Prof. Christoph Groden, Leiter der Abteilung für Neuroradiologie des Universitätsklinikums Mannheim und DGNR-Präsident. Er fordert, die neurovaskulären Netzwerke flächendeckend auszubauen.
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