
Kein Schulabschluss, geringes Einkommen: In Deutschland entscheidet der Sozialstatus, ob jemand raucht
In Deutschland rauchen mehr Menschen als in vielen anderen westeuropäischen Ländern. Mit einem Anteil von 28,2 Prozent Rauchern greifen hierzulande mehr Menschen zum Glimmstengel als beispielsweise in Italien oder Großbritannien. Das geht aus einer Studie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hervor, in der alle zwei Monate 2.000 Menschen aus Deutschland nach ihrem Rauchverhalten gefragt werden.
Interessant ist aber nicht nur die relativ hohe Zahl an Rauchern, sondern wer dem Laster nicht abschwören kann. Aus der DEBRA-Studie geht hervor: Je niedriger das Haushaltseinkommen und der Bildungsgrad desto mehr Tabak wird konsumiert.
Raucher sterben früher
„Der höhere Tabakkonsum in Bevölkerungsschichten mit niedrigerem Schulabschluss und Haushaltsnettoeinkommen trägt letztlich zu den ohnehin gesundheitlich nachteiligen Lebensbedingungen in dieser Bevölkerungsschicht bei“, sagt Suchtforscher Prof. Dr. Daniel Kotz vom Instituts für Allgemeinmedizin an der Universität Düsseldorf. In einem Gespräch mit dem SPIEGEL ergänzt er, dass Menschen mit niedrigem sozioökonomischen Status im Schnitt eine um 5 bis 10 Jahre niedrigere Lebenserwartung haben sowie 10 bis 20 weniger krankheitsfreie Jahre als Angehörige höherer sozioökonomischer Schichten. Das Rauchverhalten könnte dieses Gefälle teilweise erklären. Denn Rauchen führt zu Krebserkrankungen, allen voran der Lungenkrebs, bis hin zu Herz- und Gefäßerkrankungen.
Die Forscher fanden in ihrer Studie darüber hinaus auch große regionale Unterschiede: In Hessen wird mit 18,1 Prozent am wenigsten geraucht, Brandenburg ist mit 42,6 Prozent dagegen Spitzenreiter. Nordrhein-Westfalen etwa liegt mit 30 Prozent im oberen Drittel.
E-Zigarette wird zur Entwöhnung genutzt
Die Daten der DEBRA Studie sollen unter anderem als Grundlage für politische Entscheidungen zur Tabakkontrolle dienen. Deutschland ist das einzige verblieben Land in Europa, dass noch Tabakaußenwerbung erlaubt. Auch beim Nichtraucherschutz könnte Deutschland aufholen: In Italien, Irland und Finnland sind z.B. Rauchverbote in Autos, in denen Kinder mitfahren, längst eingeführt. „Wir haben in Deutschland deutlichen Bedarf an weiteren Maßnahmen“, ist Daniel Kotz überzeugt.
Nachholbedarf sieht der Wissenschaftler auch bei Entwöhnungsprogrammen: 28,1 Prozent der Rauchenden hatten im letzten Jahr den Versuch unternommen, mit dem Rauchen aufzuhören. Häufigste Methode war die E-Zigarette (9,1 Prozent). Nachgewiesen hilfreiche Methoden der Tabakentwöhnung, wie ärztliche Kurzberatung oder pharmakologische Therapien, z.B. Nikotinpflaster, wurden nur von 6 bzw. 7 Prozent genutzt. „Hier ist deutlich Luft nach oben“, sagt Prof. Dr. Daniel Kotz, „nur wenige Entwöhnungsversuche werden in Deutschland durch solche Methoden unterstützt, - im Gegensatz z.B. zu England, wo Rauchstoppversuche mit ärztlicher Beratung, Verhaltenstherapie oder Nikotinersatztherapie deutlich häufiger begleitet werden.“
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