Psychiater zum Motiv des Co-Piloten: Depression höchst unwahrscheinlich
Was hat den Co-Piloten der Germanwings-Maschine angetrieben, sich und 149 weitere Menschen mit in den Tod zu reißen? Noch gibt es keine sicheren Erkenntnisse darüber, aber offenbar war Andreas Lubitz krank. Darauf deuten mehrere Krankschreibungen hin, die Ermittler in seiner Wohnung gefunden haben. Die Universitätsklinik Düsseldorf hat derweil bestätigt, dass Lubitz zuletzt am 10. März als Patient in ihrem Hause vorstellig geworden war. Es habe sich um diagnostische Abklärungen gehandelt. „Meldungen, wonach Andreas L. wegen Depressionen in unserem Haus in Behandlung gewesen sei, sind jedoch unzutreffend“, erklärte ein Sprecher. Weitere Einzelheiten könne man aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht nicht mitteilen. Die Krankenakten habe man am Freitag der ermittelnden Staatsanwaltschaft Düsseldorf übergeben.
Co-Pilot befand sich an der Universitätsklinik Düsseldorf in Behandlung
Die Ermittler gehen derzeit von einem Suizid aus. Laut der Deutschen Depressionshilfe sind psychische Erkrankungen, insbesondere Depressionen die mit Abstand häufigste Ursache für einen Suizid. „Im Rahmen sehr schwerer Depressionen kann es selten auch zu einem erweiterten Suizid kommen“, erklärt der Psychiater Prof. Ulrich Hegerl von der Deutschen Depressionshilfe. Von einem erweiterten Suizid sprechen Fachleute, wenn Menschen sich und andere umbringen. Meist sind das aber Menschen, die ihre Angehörige nicht im Stich lassen wollen, etwa die Mutter ihr Kind. Diese Menschen handeln dann aus vermeintlich altruistischen Motiven. „Die Erkrankten nehmen durch die schwarze Brille der Depression alles als so aussichtslos wahr, dass sie auch ihre Angehörigen nicht in diesem schrecklichen Elend zurücklassen wollen“, erläutert Hegerl. „Dass fremde Menschen wie bei diesem Flugzeugunglück mit in den Tod gerissen werden, passt eher nicht zu einem erweiterten Suizid im Rahmen einer Depression“.
Unbehandelte Psychose kann zu tragischen Fehlhandlungen führen
Dem Psychiater zufolge können jedoch andere psychische Erkrankungen, unter Umständen zu tragischen Fehlhandlungen führen. Zum Beispiel Psychosen, bei denen die Betroffenen Stimmen hören, die ihnen manchmal sogar Befehle erteilen und die mit einer völlig veränderten Wahrnehmung der Umwelt einhergehen. Der großen Mehrzahl von Menschen mit psychischen Erkrankungen könne aber durch eine konsequente Behandlung gut geholfen werden, meint Hegerl. „Insbesondere Depressionen lassen sich durch Antidepressiva und Psychotherapie gut behandeln und so Suizidalität verhindern.“
Vorsicht vor voreiligen Schlüssen
Das bestätigte auch die Psychiaterin Prof. Isabel Heuser von der Charité. Wer einmal wegen einer psychischen Erkrankung in Behandlung gewesen sei, könne durchaus wieder funktionstüchtig werden und verantwortungsvolle Tätigkeiten übernehmen, wie etwa das Fliegen eines Flugzeugs, sagte sie in einer Talkrunde des Senders phoenix. Die Psychiaterin warnte aber davor, voreilige Schlüsse zu ziehen. „Die Begriffe Depression und Burn Out sind derart missbraucht, da wäre ich sehr vorsichtig sie in Zusammenhang mit dem Unglück zu bringen.“
Die deutsche Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) mahnte unterdessen, den Absturz der Germanwings-Maschine bereits als Suizid des Co-Piloten einzustufen. „Es sind noch viele Fragen offen“, so ein Sprecher. In der Luftfahrt sind bisher nur sechs Abstürze von größeren Passagiermaschinen bekannt, bei denen Suizidabsichten möglicherweise eine Rolle gespielt haben. Nur ein Fall ist bislang wirklich gesichert.
Foto: Germanwings