Pflegebranche sucht händeringend Nachwuchs
Deutschland steuert auf einen Pflegenotstand zu. Nach Angaben des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa) fehlen in den nächsten zehn Jahren bis zu 400.000 Vollzeitpflegekräfte, während der Anteil an Pflegebedürftigen im selben Zeitraum um 46 Prozent wächst. „Künftig wird es für uns immer schwieriger, offene Stellen mit fachkundigem Personal zu besetzen. Damit steuern wir auf einen Notstand in der Pflege zu", warnt Dr. Matthias Faensen, Vorsitzender der bpa-Landesgruppe Sachsen.
Die Krankenschwester aus Tschechien hat auf eigene Kosten Deutsch gelernt
In Sachsen haben viele Pflegeeinrichtungen heute schon Mühe, qualifizierte Pflegefachkräfte zu finden. So auch die Pflegeeinrichtung Zwinscher & Ludwig aus Königshain-Wiederau. Geschäftsführerin Christine Zwinscher besetzt offene Stellen mittlerweile auch mit Fachkräften aus dem benachbarten Tschechien. Seit fünf Jahren hat sie zum Beispiel die tschechische Krankenschwester Eva Vojtkova beschäftigt, die in der Schule Deutsch gelernt hat und außerdem Privatunterricht nahm. Trotzdem hat es die Tschechin nicht immer einfach. „Mit dem starken Dialekt vieler Pflegebedürftiger kam ich am Anfang überhaupt nicht klar", sagt die Krankenschwester. Inzwischen habe sie sich aber an das "Sächseln" gewöhnt hat. Die bürokratischen Anforderungen an die Dokumentation der Pflegetätigkeiten empfindet sie aber immer noch als schwierige Fachsprache.
Um ihren ausländischen Mitarbeitern die Integration zu erleichtern, meldet Christine Zwinscher ihre Fachkräfte für Sprachkurse an und richtet die Dienstpläne entsprechend aus. Sie begleitet ihre Mitarbeiter auch zu Behörden, etwa wenn es um eine Arbeitserlaubnis oder Wohnung geht. Matthias Faensen lobt das vorbildliche Engagement, betont aber, dass jetzt die Politik gefragt sei, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. „Hier geht es in erster Linie um eine höhere Flexibilität bei der Integration ausländischer Fachkräfte. Insbesondere muss die Anerkennung von Abschlüssen vereinfacht werden."
Absurd: Angehende Altenpfleger müssen Schulgeld bezahlen
Angesichts des Pflegenotstands sei es außerdem unverständlich, dass Auszubildende in der Altenpflege zum Teil noch Schulgeld bezahlen müssen. „Die Zeiten, in denen ein Auszubildender Lehrgeld bezahlen muss, sind seit vielen Jahren vorbei - das gilt in der Pflege leider nicht für alle Auszubildenden.“ In Anbetracht des herrschenden Fachkräftemangels sei das ein völlig falsches Signal. „Es ist inakzeptabel, dass man in Sachsen kostenlos Arzt werden kann, aber Pflegefachkräfte Geld bezahlen, um ihren Beruf zu erlernen.“ Die Sächsische Sozialministerin Christine Clauß stellte im Oktober am Rande ihres Besuchs auf der PFLEGE & HOMECARE Leipzig zum Thema Schulgeldpflicht von Altenpflegeschülern zumindest konstruktive Gespräche in Aussicht.
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