Alzheimer ist bis heute unheilbar. Forscher haben zwar schon mehrere ursächliche Genveränderungen dingfest gemacht, doch bislang konnte dieses Wissen noch nicht in effektive Therapien übersetzt werden. Was man weiß, ist, dass sich in Gehirnen von Alzheimerpatienten toxische Ablagerungen bilden, sogenannte Plaques.
„Alle wichtigen Genveränderungen, die mit einem erhöhtem Risiko für Alzheimer verbunden sind, führen zu Veränderungen der Plaque-Bildung“, sagt Alzheimer-Experte Christian Haass von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). „Das legt nahe, dass diese Proteinaggregate die Alzheimerkrankheit verursachen.“
Mikroglia bereinigt Plaques im Gehirn
Ein solches verursachendes Gen scheint TREM2 zu sein. Normalerweise aktiviert das Gen spezialisierte Immunzellen (Mikroglia), die das Gehirn von Plaques reinigen. Doch wenn dieser wichtige Schalter defekt ist, dann kehrt sich seine Funktion offenbar ins Gegenteil um, wie Haass und seine Kollegen vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) nun in einer Untersuchung zeigen konnten.
An Mäusen, die funktionstüchtiges TREM2-Gen trugen, und solchen, die es nicht hatten, untersuchten die Forscher den Krankheitsverlauf. Schon im frühen Stadium sammelten sich in Mäusen mit intaktem TREM2 Mikroglia-Zellen um kleine Plaques und verhinderten so, dass sie sich vergrößern oder ausbreiten. „Wir konnten zeigen, dass Mikroglia gezielt von Amyloid-Plaques angezogen wird. Die Zellen umzingeln einzelne Plaques und zerlegen diese dann Stück für Stück“, erklärt Studienleiter Christian Haass die schützende Funktion. Fehlte den Mäusen hingegen TREM2, konnte die Mikroglia diese wichtige Aufgabe nicht korrekt ausführen.
Eine Frage des Krankheitsstadiums
Die Forscher vermuten deshalb, dass Mutationen des Gens TREM2 das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, erheblich erhöhen können. Folglich liegt es nahe, TREM2 im frühen Krankheitsstadium zu aktivieren, um der Plaque-Bildung entgegenzuwirken.
Doch unbedenklich ist das nicht. Denn während TREM2 im frühen Krankheitsstadium die Plaquebildung verhindert, scheint das Molekül in einem späteren Stadium eine entgegengesetzte Wirkung zu haben: Im späteren Krankheitsverlauf wuchsen nämlich die Plaques bei Mäusen mit TREM2 schneller als bei Mäusen ohne TREM2, wie die Untersuchungen zeigten. Die Erklärung liefern die Wissenschaftler gleich mit: TREM2 sorgt in der Mikroglia für die Produktion eines Stoffes namens ApoE, der die Aggregatbildung verstärkt. „Nach unseren Ergebnissen könnte es dramatische Folgen haben, wenn wir über das Ziel hinausschießen und die Mikroglia überaktivieren", betont Haass.
Antikörper in Entwicklung
„In der Zukunft wird es wichtig sein, dass man die Krankheit stadienspezifisch behandelt.“ So könnte man versuchen, die Mikroglia über TREM2 in einer frühen Phase der Erkrankung zu aktivieren. Die Forscher entwickeln bereits Antikörper, die TREM2 stabilisieren und so die spezialisierten Immunzellen aktivieren sollen. In verschiedenen experimentellen Ansätzen testen die Wissenschaftler nun mögliche therapeutische Strategien und Kombinationstherapien mit anderen Medikamenten.
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