Neue Therapieansätze aus Mecklenburg-Vorpommern
Mit rund 8.700 Teilnehmern ist die Greifswalder „SHIP-Studie“ das weltweit größte Untersuchungsprojekt seiner Art. Die so genannte "Study of Health in Pomerania (SHIP)" wurde in den 1990er Jahren ins Leben gerufen, um die im bundesweiten Vergleich auffallend niedrige Lebenserwartung im Nordosten Deutschlands zu erklären. „Es bestand der Verdacht, dass in der dortigen Bevölkerung Risikofaktoren für wichtige Erkrankungen besonders häufig auftreten“, erläutert PD Dr. Dr. Carsten Oliver Schmidt vom Institut für Community Medicine an der Universitätsmedizin Greifswald.
Meklenburg-Vorpommern: Weltweit die meisten Gallensteine
Die Forscher um Schmidt konnten den Verdacht alsbald bestätigen. So wurde schon im ersten Teil der Studie, „SHIP-0“ zwischen 1997 und 2001, deutlich, dass die Einwohner Mecklenburg-Vorpommerns ein besonders hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben. „Die Häufigkeit von Fettleibigkeit, Bluthochdruck und Typ-2-Diabetes liegt über dem Bundesdurchschnitt. Bei Gallensteinen belegt Vorpommern sogar weltweit eine Spitzenposition“, fasst Schmidt die Ergebnisse von SHIP zusammen.
Nach SHIP-0 mit 4.308 teilnehmenden Erwachsenen führten die Greifswalder Forscher von 2002 bis 2006 und von 2007 bis 2012 zwei Nachuntersuchungen durch. Hierfür konnten sie weitere 4.422 Teilnehmer gewinnen. Die insgesamt über 8.700 Teilnehmer wurden über die Jahre sprichwörtlich auf Herz und Nieren geprüft. Neben Routineuntersuchungen und Fragebögen wurden Ultraschalluntersuchungen von Leber, Schilddrüse und Halsschlagadern, Herz-Lungen Funktionstests, eine Hautanalyse sowie ein 3D-Body-des Körpers und Messungen der Gefäßfunktion gemacht. Auch der Zahnstatus wurde überprüft. Manche Teilnehmer verbrachten zudem eine Nacht im Schlaflabor. SHIP sei zudem die erste Bevölkerungsstudie, die eine Ganzkörperuntersuchung im Kernspintomografen einschließe, betont Forscher Schmidt.
Zentausende Proben werden mit Krankheiten abgeglichen
Von den aufwändigen Untersuchungen versprechen sich die Forscher eine ganzeMenge. So könnten die Ergebnisse für die Entwicklung neuer Diagnostik und Therapieansätze interessant sein. „Die Ergebnisse erlauben es auch, Zusammenhänge zwischen Risikofaktoren und Krankheiten zu verstehen und Krankheitsverläufe individuell besser einschätzen zu können“, sagt Professor Ulrich R. Fölsch, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) aus Kiel. Denn je mehr Ärzte über einen Patienten und seine Krankheit wissen, desto gezielter können sie therapieren.
In Biobanken werden unterdessen zehntausende Blutproben, Urin, Speichel und Schleimhautabstriche der Teilnehmer der SHIP-Studie archiviert. „Die Informationen in all diesen Proben könnten auch für die „Companion Diagnostics“ genutzt werden“, sagt Fölsch, indem Forscher untersuchten, wie sich von der Norm abweichende Werte langfristig auf die Gesundheit auswirken. „Companion Diagnostics“ nennen sich Tests, die Vorhersagen über den Erfolg einer Therapie zulassen. „Schon jetzt wurden in SHIP für zahlreiche Biomarker Normwerte für die Bevölkerung ermittelt, die zu einer verbesserten Diagnostik beitragen können“, meint Schmidt. Im kommenden Jahr soll die nächste umfassende Nachfolgeerhebung von SHIP starten.
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