Neue Leitlinie: Europa und USA driften auch beim Bluthochdruck auseinander

Nicht den USA gefolgt: Die Europäische Leitlinienkommission hält an der alten Definition für Bluthochdruck fest
Wann liegt ein Bluthochdruck vor? Über diese Frage streiten sich die Geister. Kürzlich hatten die USA den Wert auf 130/80 mm Hg gesenkt. Das hat in Europa für viele Diskussionen gesorgt, sieht man auf dem alten Kontinent doch erst den Blutdruck ab einem Wert von 140 mm Hg als pathologisch an. Umso spannender wurden die neuen Europäischen Leitlinien für Bluthochdruck erwartet. Auf dem Kongress der „European Society of Hypertension“ in Barcelona wurden sie jetzt vorgestellt. Die wichtigste Nachricht: Die Europäer sind nicht den Amerikanern gefolgt und halten an der Definition von Bluthochdruck von ≥140/90 mm Hg fest. Allerdings wird empfohlen, eine Senkung in den Normalbereich (<130/80 mm Hg) anzustreben. Neu ist aber auch das nicht.
Europa sieht keine Evidenz für die amerikanische Empfehlung
„Die US-Leitlinien definieren Bluthochdruck bereits ab Werten ≥130/80 mm Hg, der Grenzwert wurde 2017 u.a. als Reaktion auf die SPRINT-Studie abgesenkt“, erklärte Professor Peter Trenkwalder von der Deutschen Hochdruckliga. "Die europäische Leitlinienkommission hingegen sah für eine solche Empfehlung keine ausreichende Evidenz!“
Genau wie die vorige ESH/ESC-Leitlinie sieht auch die aktuelle Fassung eine medikamentöse Therapie erst ab einem Blutdruck von 140/90 mm Hg für indiziert – jedenfalls bei den meisten Patienten. Außerdem wird weiterhin zwischen einem optimalen Blutdruckbereich (<120/80 mm Hg), einem normalen (120-129/80-84 mm Hg) und einem hochnormalen (130-139/85-89 mm Hg) unterschieden. „Erst darüber liegende Werte werden als krankhaft eingestuft und sollten medikamentös behandelt werden, wenn eine Lebensstiländerung, die bereits Patienten mit hochnormalen Werten empfohlen wird, keine Erfolge gezeigt hat“, betonte Bluthochdruck-Spezialist Trenkwalder.
Nicht alle über einen Kamm scheren
Der Präsident der Deutschen Hochdruckliga Prof. Krämer sieht in den Leitlinien ohnehin nur einen groben Rahmen. „Die moderne Bluthochdrucktherapie sollte individualisiert erfolgen“, sagte er. Dabei sei das primäre Ziel, den Blutdruck unter 140 zu bringen.
Ob nun 130 wie in den USA oder 140 wie in Europa – ist wahrscheinlich für die Gesundheit der Bevölkerung gar nicht so kriegsentscheidend. Viel schlimmer ist, dass derzeit nur die Hälfte aller Menschen mit Bluthochdruck nicht oder nicht erfolgreich behandelt wird. Die Gründe dafür liegen in einer mangelnden Therapietreue der Patienten und in einer hohen Dunkelziffer der Erkrankung.
Um Bluthochdruck öfter zu entdecken, empfiehlt die neue europäische Leitlinie Erwachsenen mit optimalen Blutdruckwerten unter 120/80 mmHg alle fünf Jahre eine Blutdruck-Screening und Erwachsenen mit hochnormalen Blutdruckwerten mindestens einmal jährlich. Zur Stärkung der Therapietreue werden Fixdosis-Kombinationen empfohlen. In einer Pille befinden sich dann zwei Wirkstoffe, so dass Patienten weniger Tabletten nehmen müssen.
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