Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Neue Krebsmedikamente oft wirkungslos

Samstag, 2. Dezember 2017 – Autor:
Ein Großteil der neu zugelassenen Krebsmedikamente zeigt nicht die erhoffte Wirkung. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie aus England. Untersucht wurden 48 Medikamente, die zwischen 2009 und 2013 in Europa zugelassen wurden.
Neue Krebsmedikamente versprechen eine Lebensverlängerung. Doch nur jede zweite Zulassung zeigt tatsächlich einen Nutzen

Neue Krebsmedikamente versprechen eine Lebensverlängerung. Doch nur jede zweite Zulassung zeigt tatsächlich einen Nutzen

Sie sollen das Krebswachstum hemmen, das Immunsystem überlisten und vor allem das Leben von Krebspatienten verlängern: Mit neuen Krebsmedikamenten ist viel Hoffnung verbunden. In Europa wurden in den Jahren 2009 bis 2013 insgesamt 48 solcher Medikamente für 68 Indikationen zugelassen. Sicher scheint nur ihr hoher Preis zu sein. Denn jetzt haben Forscher aus England den Nutzen dieser Medikamente anhand der vorliegenden Studien dazu untersucht. Das Ergebnis ist ernüchternd: Nur bei der Hälfte der Zulassungen* wirken die Medikamente nachweislich lebensverlängernd, bei der anderen Hälfte dagegen nicht.

Nur ein Drittel zum Zeitpunkt der Zulassung anderen Medikamenten überlegen

Die Autoren um Courtney Davis berichten im BMJ (früher British Medical Journal), dass zum Zeitpunkt der Markteinführung nur bei 35 Prozent, d.h. 24 der 68 Indikationen eine signifikante Lebensverlängerung gezeigt werden konnte, wobei der Lebenszeitgewinn zwischen einem Monat und 5,8 Monaten betrug. Im Schnitt lebten die Patienten also gerade mal 2,7 Monate länger. Eine Verbesserung der Lebensqualität konnte zu diesem Zeitpunkt lediglich bei zehn Prozent der 68 Zulassungen gezeigt werden.

Was zeigt die Nachbeobachtung? Von den 44 Indikationen, für die anfänglich keine Lebensverlängerung belegt werden konnte, konnte bei drei schließlich einen lebensverlängernde Wirkung nachgewiesen werden und bei fünf eine Verbesserung der Lebensqualität. Die Nachbeobachtung betrug mindestens 3,3 und längstens 8,1 Jahre.

Bei jeder zweiten Indikation kein Nutzen belegt

Unterm Strich konnten die Medikamente bei 51 Prozent der Zulassungen das Leben signifikant verlängern und die Lebensqualität verbessern. Bei 49 Prozent konnten die Studienautoren keinen Beleg für diesen Nutzen finden.  

„Unsere systematische Analyse der EMA-Zulassungen aus dem Jahren 2009 bis 2013 zeigt, dass die meisten Krebsmedikamente auf den Markt kommen, ohne dass ihr Nutzen hinsichtlich Lebensverlängerung und Lebensqualitätsverbesserung belegt wäre“, schreiben die Autoren. Selbst nach 3,3 Jahre Nachbeobachtungszeit, habe es immer noch keine ausreichenden Belege gegeben, ob diese Medikamente das Leben von Krebspatienten verlängern oder verbessern könnten.

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) muss sich nun die Frage stellen lassen, ob sie Medikamente zu schnell zulässt und die vorgelegten Ergebnisse der Pharmaindustrie nicht genügend nachprüft. Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der Ärzteschaft, Prof. Wolf-Dieter Ludwig sieht jedenfalls Handlungsbedarf. Die EMA und die Politik seien gefragt, die bestehenden Regelungen zu überprüfen, um mehr Klarheit zu schaffen, erklärte Ludwig dem ARD-Magazin Monitor.

*Zulassungen sind an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, etwa Vorbehandlungen, Stadium der Krebserkrankung, Mutationsprofil, pathologische Einteilung usw. Daher ist hier von Indikationen bzw. Zulassungen die Rede. Der Terminus „Krebserkrankung“ wäre zu allgemein. 

Foto. © Gerhard Seybert - Fotolia.com

Hauptkategorien: Gesundheitspolitik , Medizin
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Krebs , Arzneimittel

Weitere Nachrichten zum Thema Krebsmedikamente

Aktuelle Nachrichten

Mehr zum Thema
Gesundheitsstadt Berlin sprach mit Prof. Dr. med. Peter Vajkoczy, Direktor der Klinik für Neurochirurgie der Charité, über das neue CyberKnife Center, risikoreiche Operationen und die heilsame Wirkung der Präzisionsstrahlentherapie.
Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin