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Nahles: Demografie fängt bei den Jugendlichen an

Freitag, 5. September 2014 – Autor:
Beim demografischen Wandel denken alle nur ans Alter. Dass dies zu kurz gedacht ist, wurde beim Demografiekongress in Berlin deutlich. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles betonte, die Demografiestrategie fange bei den Jugendlichen an.
Nahles: Demografie fängt bei den Jugendlichen an

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles: Jeder wird in diesem Land gebraucht

„Arbeitswelt und demografischer Wandel – sind wir gut vorbereitet?“ über diese Frage stritten am Donnerstag beim Demografiekongress in Berlin Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) mit Spitzenvertretern der IG-Metall und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Moderiert wurde das Ganze von Kongresspräsident Ulf Fink. Während Gewerkschaftsboss Detlef Wetzel meinte, die Rente mit 67 sei das einzige, was der Politik bislang dazu eingefallen sei und die Frage mit einem klaren „Nein“ beantwortete, sahen die Arbeitsministerin und ihr Staatssekretär Thorben Albrecht sowie BDA-Vizepräsident Dr. Rainer Dulger die Lage etwas rosiger.

Deutschland hat europaweit die meisten Arbeitnehmer über 50

So war aus dem Arbeitsministerium zu hören, dass Deutschland neben Schweden im europäischen Vergleich die höchste Zahl an älteren Beschäftigten habe und sogar Weltmeister bei flexiblen Arbeitszeitmodellen sei. „Wir haben in der Gruppe der über 50-Jährigen viel erreicht und das Lebensalter ist heute kein Gradmesser mehr für die Leistungsfähigkeit“, meinte Nahles. Ältere Arbeitnehmer seien vielleicht weniger schnell, hätten dafür aber mehr Erfahrung und lösten komplexe Aufgaben besser. Ihr Wert hätte sich auch in den Betrieben herumgesprochen. Nahles räumte jedoch ein, dass insbesondere bei kleinen und mittleren Betrieben noch Luft nach oben sei. Während Großunternehmen wie Fraport oder BMW viel dafür täten, ihre Arbeitnehmer länger in Lohn und Brot zu halten – mit flexibleren Arbeitszeiten, Weiterbildungsmaßnahmen und Gesundheitsförderung – sei ein Großteil der mittelständischen Betriebe mit derartigen Maßnahmen überfordert. Hier versuche das Ministerium gerade Überzeugungsarbeit zu leisten.

Arbeit und demografischer Wandel

Doch die Antwort auf den demografischen Wandel in der Arbeitswelt sei nicht allein in altersgerechten Arbeitsplätzen zu finden. „Die Demografiestrategie fängt bei den Jugendlichen an“, sagte die Bundesarbeitsministerin und lag damit voll im Konsens ihrer Diskussionspartner. Jeder werde in diesem Land gebraucht, deshalb müsse künftig jeder Jugendliche eine vernünftige Ausbildung erhalten, bekräftigten die Experten auf dem Demogarfiekongress.

1,5 Millionen Jugendliche haben keine Ausbildung

Davon ist Deutschland allerdings weit entfernt. So stehen dem Fachkräftemangel in 20 Berufsfeldern heute 1,5 Millionen Jugendliche ohne jegliche Ausbildung gegenüber; weiter schaffen es gut ausgebildete Frauen wegen der Kindererziehung nicht in einen Vollzeitjob zurück; steigende Zahlen von Frühverrentungen aufgrund von psychischen Erkrankungen – all das entzieht dem deutschen Arbeitsmarkt dringend benötigte Fachkräfte. „Wir müssen uns mehr auf bislang vernachlässigte Gruppen konzentrieren“, so IG-Metallchef Wetzel und Andrea Nahles im Gleichklang.

Wie man allerdings Jugendliche, die in der dritten Hartz-IV-Generation aufwachsen und nie gelernt haben, dass man für ein Auskommen auch etwas tun muss, zum Arbeiten motiviert, dafür hat weder die Gewerkschaft noch das Arbeitsministerium ein Patentrezept. Einfacher dagegen scheint es, (politische) Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die, die arbeiten wollen, dies auch können. Die IG-Metall versucht es mit demografiefesten Tarifverträgen, in denen etwa das Recht auf Weiterbildung oder auf einen Vollzeitjob nach der Babypause ebenso wie flexible Arbeitszeiten verankert sind.

Der Weiterbildungsbedarf hat sich verdreifacht

Und die Industrie gibt nach Auskunft von BDA-Vize Dr. Rainer Dulger pro Jahr vier Milliarden Euro für Weiterbildungsmaßnahmen ihrer Mitarbeiter aus – auf freiwilliger Basis. „Der Weiterbildungsbedarf hat sich aufgrund der Digitalisierung in den letzten Jahren verdreifacht“, sagte Dulger. „Allein um international wettbewerbsfähig bleiben zu können, müssen wir hohe Summen in diesen Bereich investieren.“ Zudem seien viele Arbeitsplätze in der Industrie durch technische Weiterentwicklungen, arbeitnehmerfreundlicher geworden. „Die Arbeitsplätze sind gesünder geworden, so dass heute Arbeitnehmer länger ihrer Beschäftigung nachgehen können und auch wollen.“ Von gesetzlichen Regelungen hält der Arbeitgebervertreter indessen wenig bis nichts.

Dass Bundesgelder für Weiterbildungsmaßnahmen derweil nicht von Unternehmen abgerufen werden, verwundert auf den ersten Blick. Das Grundverständnis sei zwar da, dass insbesondere ältere Arbeitnehmer weitergebildet werden müssten, meinte Andrea Nahles. Gerade aber kleinen und mittelständischen Betrieben falle es schwer, ihre Mitarbeiter für Weiterbildungszeiten freizustellen. „Wir brauchen unsere Leute doch“, hieß es dann auf Nachfrage aus den Unternehmen. Gut gemeinte Lösungen oder Gesetze nutzen eben nichts, wenn den Betrieben die Fachkräfte fehlen. Das ist auch Andrea Nahles klar. Und wie man die gewinnt - das ist genau die 100.000 Dollar-Frage.

Vielleicht sei ja auch die Digitalisierung eine Chance für die Arbeitswelt, meinte Staatsekretär Thorben Albrecht, blieb jedoch mit dieser Ansicht – mit Ausnahme von BDA-Mann Dulger - weitgehend allein. Vielleicht, weil eine digitalisierte Arbeitswelt heute noch viel abstrakter klingt, als eine alternde Belegschaft.

Foto: BMAS

Hauptkategorien: Berlin , Demografischer Wandel
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