Künstliche Gebärmutter unterstützt Entwicklung von Frühchen
Seit langem ist bekannt, dass frühgeborenen Babys, die in den ersten Wochen und Monaten in einem Inkubator verbringen müssen, die räumliche Begrenzung und die vorgeburtlichen sensorischen Reize durch die Gebärmutter fehlen. Dieser Mangel kann zu erheblichen Spätfolgen führen: Bei vielen Frühgeborenen kommt es im Laufe der weiteren Entwicklung zu sensorischen und motorischen Defiziten, die therapiert werden müssen.
Nun haben Experten der Hohenstein Institute in Bönnigheim die weltweit erste künstliche Gebärmutter entwickelt, die Frühchen mit sensorischen Reizen in ihrer Entwicklung unterstützen soll. Mit „ARTUS“ (ARTificial UteruS) wird die mütterliche Umgebung im Inkubator simuliert, indem mechanische Eindrücke, die den sanften Schaukelbewegungen im Mutterleib entsprechen, akustische Reize wie der Herzschlag und sogar die Stimme der Mutter an das Frühgeborene übertragen werden.
Künstliche Gebärmutter fördert Reifung des Gehirns
Kindern, die zu früh zur Welt kommen, fällt es oft schwer, sich im Raum zu orientieren, ihre Muskelspannung anzupassen und komplexe Bewegungsabläufe durchzuführen. Als Grund vermuten Mediziner das Fehlen von frühen Wahrnehmungserfahrungen im Uterus, die für die senso-motorische Entwicklung frühgeborener Kinder enorm wichtig sind. Aus medizinischer Sicht sollten den Frühchen diese Sinneseindrücke daher unmittelbar nach der Frühgeburt angeboten werden, um die Reifung des kindlichen Gehirns zu fördern. „ARTUS“ soll dabei helfen.
Doch nicht nur Bewegungseindrücke sind wichtig für das Frühchen. Auch die Stimme und der Herzschlag der Mutter haben bekanntermaßen eine beruhigende Wirkung auf das Frühgeborene und stimulieren zugleich dessen Entwicklung. Daher wurden sie ebenfalls in den künstlichen Uterus integriert.
Über 50.000 Frühchen pro Jahr
Bislang bieten Inkubatoren ausschließlich gleichbleibende Temperatur, die notwendige Luftfeuchtigkeit und eine ausreichende Sauerstoffzufuhr, aber keine sensorischen Reize, wie sie nun "ARTUS" ermöglicht. Zurzeit beobachten Neonatologen die Wirkung der künstlichen Gebärmutter auf Frühchen. Projektleiter Professor Dirk Höfer geht davon aus, dass „ARTUS“ den klinischen Zustand von Frühgeborenen verbessert. „In der ersten Anwendungsbeobachtung sind wir schon zufrieden, wenn wir eine allgemeine Verbesserung des Zustandes der beobachteten Babys verzeichnen können“, so Höfer. Die Prototypen sollen vor der Markteinführung noch funktionell optimiert und an den Klinikalltag angepasst werden.
Von einer Frühgeburt spricht man, wenn der Säugling vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche geboren wird. In der Regel wiegen die sogenannten „Frühchen“ weniger als 2.500 Gramm. In Deutschland kommen jährlich über 50.000 Babys zu früh zur Welt.
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