Keine Lust auf Bereitschaftsdienst: Notaufnahmen kämpfen an vielen Fronten

Deutschlands Notaufnahmen sind überlastet. Immer mehr Ärzten vergeht die Lust auf Bereitschaftsdienst – Foto: ©Wellnhofer Designs - stock.adobe.com
Notaufnahmen in Krankenhäusern sind rund um die Uhr geöffnet. Das ist praktisch und wird über Gebühr ausgenutzt. Obwohl die Zahl der tatsächlichen Notfallpatienten seit Jahren stabil ist, steigt die Patientenzahl in Notaufnahmen zunehmend. Dabei hat eine Hamburger Studie ergeben: Über die Hälfte der Betroffenen halten ihre Beschwerden gar nicht für dringend. Dennoch suchen sie mit Bagatellerkrankungen Notaufnahmen auf und verlängern so die Wartezeiten für Patienten, die dringend auf Hilfe angewiesen sind. Aus Sicht von Ärzten liegt das nicht nur an Bequemlichkeit, sondern auch an Unwissen über geeignete Alternativen.
Nicht mal jeder dritte kennt die 116117
„Uns fehlt eine klare, für betreffende Patienten leicht zu verstehende Ordnung in der Notfallversorgung“, erklärt Professor Dr. med. Paul Alfred Grützner, Ärztlicher Direktor der BG Klinik Ludwigshafen. Die Nummer des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes sei noch viel zu wenig bekannt. „Nicht einmal jeder dritte Patient kennt die Rufnummer 116117 des Kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes“, so Grützner.
Unter der Rufnummer 116117 können sich Betroffene rund um die Uhr eine erste medizinische Einschätzung einholen. Schätzt der Berater den Fall nicht als dringlich ein, wird entweder ein KV-Arzt vorbeigeschickt oder zu einem Besuch beim Hausarzt am nächsten Tag geraten. „Kompetentes Personal muss die Erkrankten dorthin steuern, wo sie gut behandelt werden“, meint Grützner. So könne verhindert werden, dass viele Menschen unnötig in die Notfallambulanzen kommen.
Notfallambulanzen sind teuer und binden Personal
Dass dies dennoch der Fall ist, liegt auch daran, dass viele niedergelassene Ärzte stark ausgelastet sind und Patienten lange auf einen Termin warten müssen. In der Notfallambulanz kommt man immerhin wenigstens nach ein paar Stunden dran und es können zum Beispiel gleich Röntgenuntersuchungen durchgeführt werden.
Doch das bequeme Angebot ist teuer: Die BG Klinik Ludwigshafen zahlt nach Auskunft von Prof. Grützner jedes Jahr etwa fünf Millionen für die Notfallambulanz drauf. Spezialisten, die sich für die Rettungsstelle verfügbar halten müssten, könnten immer weniger am darauffolgenden Tag für die alltägliche Stationsarbeit und für geplante Operationen eingesetzt werden. „Dadurch müssen immer mehr Eingriffe verschoben werden oder fallen ganz aus“, berichtete auch Professor Carsten Perka von der Charité auf dem DKOU im Oktober. Der Ärztliche Direktor des Centrums für Muskuloskelettale Chirurgie an der Charité kritisierte, dass die hohen Vorhaltekosten für Experten in den Notaufnahmen zunehmend ansteigen. „Patienten müssen immer längere Wartezeiten, beispielsweise für ihre Hüft- oder Knie-Operation, in Kauf nehmen und sind frustriert, weil sie länger mit ihren Beschwerden leben müssen.“
Bereitschaftsdienst immer unbeliebter
Außerdem seien immer weniger Ärzte bereit, unter diesen problematischen Arbeitsbedingungen im Bereitschaftsdienst zu arbeiten. „Wir verlieren in den Kliniken die besten Köpfe, weil niemand mehr diese Dienste machen möchte. Dabei gehen uns auch wichtige Wissenschaftler verloren“, so Perka. Insbesondere die Orthopädie und Unfallchirurgie treffe dies hart. Denn etwa sieben von zehn Notfallpatienten seien diesem Fach zuzuordnen.
Die Experten begrüßen daher die Initiative des Bundesgesundheitsministeriums, die ambulante, stationäre und rettungsdienstliche Notfallversorgung zusammenzulegen, um die Patientenströme zu koordinieren. Die dafür zentrale Rufnummer 116117 des Kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes müsse hierfür aber noch bekannter werden. Überdies sei es unerlässlich, die Notfallversorgung fachübergreifend zu strukturieren und besser zu vergüten.
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