Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Kaum sichere Arzneimittel für Kinder

Freitag, 25. April 2014 – Autor: Angela Mißlbeck
Weniger als die Hälfte der in Deutschland zugelassenen Medikamente sind für Kinder geprüft. Um das zu ändern, müssen seit 2007 bei Arzneimittelstudien auch Kinder beteiligt werden. Doch der Fortschritt ist in diesem Bereich eine Schnecke.
Kaum zugelassene Medikamente für Kinder

Gesucht: Mehr sichere Arzneimittel für Kinder – Foto: Peter Hermes Furian - Fotolia

Bei Erwachsenen die Ausnahme, bei Kindern schon fast die Regel: Nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) erhält jedes zehnte bis jedes dritte Kind beim Kinderarzt ein Medikament, das nicht für den aktuellen Anwendungsbereich oder für die Altersgruppe des Kindes zugelassen ist. Dieser sogenannte Off-Label-Use ist auf den Kinderstationen in Krankenhäusern noch wesentlich weiter verbreitet. 25 bis 70 Prozent der Arzneimittel werden dort nach DGKJ-Schätzungen ohne die entsprechende Zulassung verwendet. Besonders hoch ist der Anteil des Off-Label-Use in der Früh- und Neugeborenen-Intensivmedizin mit rund 90 Prozent betroffenen Patienten. Der Grund: Es gibt kaum Medikamente, die für die Anwendung bei Kindern, insbesondere bei Kleinkindern und Babys getestet sind.

Nur wenige Studien mit Kindern: EU-Verordnung wirkt noch nicht

Ändern sollte das eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2006. Seit 2007 müssen Pharmaunternehmen bei der Neuzulassung eines Medikamentes auch Kinder in die Studien einbeziehen. Bis 2011 hatte diese Verordnung für den deutschen Arzneimittelmarkt jedoch kaum Wirkung entfaltet. Die Zahl der Studien mit Kindern war bis dahin nicht signifikant gestiegen, wie DGKJ-Präsident Professor Fred Zepp bemängelte. Nur an etwa fünf Prozent aller Studien waren nach Angaben der DGKJ Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren beteiligt. Neugeborene und Kleinkinder bis zwei Jahre kamen durchschnittlich in 0,5 bis zwei Prozent der Studien vor. Warum es für Kinder und Jugendliche nur wenige zugelassene Medikamente gibt, war für Zepp keine Frage: „Die Unternehmen orientieren sich am Machbaren, am Rentablen.“

Arzneimittelhersteller ergreifen die Initiative

Nun gehen die Arzneimittelhersteller in die Offensive. 2013 gründete der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) die Initiative „Arzneimittel für Kinder“. Der Verein räumt ein, dass wirtschaftliche Gründe gegen Studien an Kindern sprechen. Die Erforschung und Entwicklung von Kinderarzneimitteln sei teuer, in vielen Fällen könnten die Hersteller den Aufwand nicht refinanzieren. Deshalb müssten die Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Kinderarzneimitteln dringend weiter verbessert werden, so die Forderung.

Sichere Arzneimittel für Kinder

Die Initiative hat sich unter anderem die Verbesserung der Arzneimittel-Sicherheit bei Kindern auf die Fahne geschrieben. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Information über Kinderarzneimittel. „Mit unserer Initiative möchten wir bei der breiten Bevölkerung ein Bewusstsein für das Thema Kinderarzneimittel schaffen“, so der Vorstandsvorsitzende des Vereins, Dr. Markus Rudolph. Dazu hat die Initiative nun die neue Webseite arzneimittel4kids.de gestartet. Damit zielt sie auch auf Vernetzung in Politik, Wissenschaft und Verbänden.

Foto: Peter Hermes Furian - Fotolia.com

Hauptkategorie: Gesundheitspolitik

Weitere Nachrichten zum Thema Arzneimittel, Kinderheilkunde

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin