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Kann Spinnengift chemische Pflanzenschutzmittel ersetzen?

Samstag, 8. Januar 2022 – Autor:
Bis zu 3.000 Stoffe kann das Gift einer einzigen Spinne enthalten. Multipliziert man diesen Wert mit der Zahl der 50.000 bekannten Spinnenarten, dann zeigt sich: Im Spinnengift steckte viel Potenzial – in der Medizin als Wirkstoff für Medikamente; in der Landwirtschaft als Alternative zu gesundheitsschädlichen Pestiziden.
Wespenspinne mitten ihrem filigran gesponnenen Netz vor unscharfem grünem Hintergrund.

Spinnen betäuben Insekten mit ihrem Gift und fressen sie anschließend. Da die Toxine sehr wirksam gegen Insekten sind, sehen Wissenschaftler hier ein großes Potenzial für die biologische Schädlingsbekämpfung bei Nutzpflanzen. Im Bild: die auch in Deutschland heimische Wespenspinne. – Foto: AdobeStock/Karoline Thalhofer

Eine Augenweide sind sie – die Bananenstauden am Itapocu-Fluss im Süden Brasiliens mit ihren üppigen, wedelförmigen grünen Riesenblättern. Ein Hauch von Paradies. Was man nicht sieht: In der Gegend gibt es auffällig viele Fälle von Knochenkrebs. In regelmäßigen Abständen versprühen Agrarflugzeuge Pestizide am Himmel über den Plantagen. Die Bewohner nehmen es hin – schließlich hängen am Bananenanbau Arbeitsplätze. Trotzdem macht es ihnen Kummer, denn ein Zusammenhang ist nicht unplausibel – und die Frage ist: Wer ist der nächste, den es trifft?

Bauern, Verbraucher, Hobbygärtner: Pestizide machen krank

Pestizide machen krank: Arbeiter in der Landwirtschaft, Hobbygärtner, Verbraucher. „Pestizide können die Zellteilung stören, das Entstehen von Krebs begünstigen, das Erbgut verändern, das Immunsystem beeinträchtigen, Allergien auslösen“, warnt die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Bei Säugetieren – und damit auch dem Menschen – können sie das Hormonsystem beeinflussen und zu Fortpflanzungsstörungen führen. „Unbestritten ist, dass nicht nur die Qualität menschlicher Spermien, sondern auch ihre Menge drastisch abgenommen hat“, heißt es bei Greenpeace weiter.

WHO: 25 Millionen Vergiftungsfälle beim Hantieren mit Pestiziden

Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass es in Entwicklungsländern jedes Jahr zu circa 25 Millionen akuten Vergiftungsfällen beim Umgang mit Schädlingsbekämpfungsmitteln kommt und weltweit circa 20.000 Todesfälle in diesem Kontext zu beklagen sind. In vielen Ländern der Erde sind immer noch Wirkstoffe erlaubt, die in Europa längst vom Markt verbannt wurden (die teils aber weiterhin in Europa produziert und dorthin exportiert werden dürfen).

Spinnengift: Ein neues Bio-Pestizid?

Eine mögliche Alternative zu den Pflanzenschutzmitteln aus dem Chemielabor könnten Substanzen aus der Natur werden – genauer gesagt: Spinnengift. „Bis zu 3000 Komponenten kann das Gift einer einzigen Spinne enthalten“, heißt es in einer Mitteilung des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie (IME). Und 50.000 Spinnenarten sind bekannt. Für die Wissenschaftler ist deshalb klar: „In Spinnengiften steckt viel Potenzial“. Aus den Bestandteilen, meist Peptiden, lassen sich demnach vielversprechende Wirkstoffkandidaten für die Behandlung von Krankheiten entwickeln. Auch in der Schädlingsbekämpfung kann Spinnengift eingesetzt werden – als biologisches Pflanzenschutzmittel.

Spinnengifte kommen als Antibiotikum oder Schmerzmittel infrage

Ein Forscherteam des Fraunhofer-Instituts und der Universität Gießen widmet sich derzeit in einem Projekt vor allem den bisher kaum beachteten einheimischen Spinnen und ihrem Giftmix. Die Forschungsergebnisse zur Biologie der Toxine wurden jetzt in der Fachzeitschrift »Biomolecules« veröffentlicht. Im Mittelpunkt stand dabei die Wespenspinne, die ihren Namen ihrer auffällig wespenähnlichen Färbung verdankt (siehe Foto). Deren Gift zu entschlüsseln, ist den Wissenschaftlern jetzt nach eigenen Angaben gelungen.

Die Erforschung der Anwendungsmöglichkeiten in der Medizin steckt laut Fraunhofer-Institut wohl erst in den Kinderschuhen. Wissenschaftler halten es aber dennoch schon jetzt für möglich, dass sich beispielsweise mit dem Giftcocktail der Australischen Trichternetzspinne Schäden im Nervensystem nach einem Schlaganfall behandeln lassen, oder dass Spender-Herzen für eine Organtransplantation länger haltbar gemacht werden und damit besser und länger verwendet werden können. Bestimmte Wirkstoffe könnten demnach auch für eine Anwendung als Antibiotikum oder als Schmerzmittel infrage kommen.

Spinnen-Toxine: Sehr wirksam gegen Insekten

Während die Nutzung von Spinnengift in der Medizin noch ein sehr junges Forschungsfeld darstellt, ist die Pestizidforschung offenbar schon einen Schritt näher an der praktischen Anwendung. „Spinnen betäuben Insekten mit ihrem Gift und fressen sie anschließend“, heißt es beim Fraunhofer-Institut. „Da die Toxine sehr wirksam gegen Insekten sind, bieten sie eine gute Grundlage für Biopestizide. Sie eignen sich für die Schädlingsbekämpfung von Nutzpflanzen.“

Hauptkategorie: Umwelt und Ernährung
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