
Forscher entdeckten, in welchen Gehirnzellen die Erinnerung an Angst-Situationen gespeichert ist – Foto: ©Cavan for Adobe - stock.adobe.com
Einem internationalen Forscherteam unter Beteiligung des Zentralinstituts für seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim ist es gelungen, Hirnmechanismen für das Erinnern von Angst zu identifizieren. Dadurch sind neue Therapieansätze für die Behandlung von Angststörungen oder PTBS denkbar.
Im Gehirn werden Erinnerungen durch selektiv aktivierte Zell-Ensembles organisiert, so genannte Engramme. Es handelt sich um bestimmte Konstellationen interagierender Zellen. Die Forscher stellten nun fest, dass die Erinnerung an Angst-Situationen auch im Hypothalamus, einer evolutionär alten Hirnregion, gespeichert wird. Bisher ging man davon aus, dass Erinnerungen nur im Hippocampus entstehen und im Cortex gespeichert werden.
Oxytocin steuert emotionale Gehirnfunktionen wie Angst
Die Wissenschaftler zielten im Hypothalamus auf ganz bestimmte Zelltypen ab, nämlich auf Neuronen, die das Hormon Oxytocin produzieren. Oxytocin ist ein Botenstoff (Neuropeptid), der verschiedene emotionale Gehirnfunktionen, einschließlich der Angst, steuert.
Das Forscherteam entwickelte eine genetische Methode zur selektiven Markierung der Oxytocin-Neuronen, die während des Lernens, der Gedächtnisbildung und des Gedächtnisabrufes beteiligt sind. Mit Hilfe dieser Technik entdeckten sie, dass tatsächlich in den hypothalamischen Schaltkreisen des Gehirns kontextspezifische Engramme gebildet und erhalten werden können und dass die Störung dieser Engrammkreise die Angsterinnerungen drastisch beeinflusst.
Werden die Neuronen aktiviert, verschwindet die Angst
Die Oxytocin-Neuronen konnten in Versuchen mit Ratten durch die Stimulation mit Blaulicht (Optogenetik) aktiviert oder durch Zugabe einer synthetischen Chemikalie (Chemogenetik) stummgeschaltet werden.
Wenn die Forscher die markierten Zellen aktivierten, bewegten sich die Tiere, die gelernt hatten, sich in einer gefährlichen Umgebung nicht zu bewegen. Sobald das blaue Licht wieder ausgeschaltet wurde, kehrte die Angst zurück, und die Tiere verharrten wieder regunglos.
Markierte Zellen enthalten das Wissen über die Angst
"Auf diese Weise konnten wir zeigen, dass die markierten Zellen das Wissen über die Angst enthalten", sagt ZI-Forscher Prof. Valery Grinevich in einer Pressemitteilung. Die Forscher führten zudem das umgekehrte Experiment durch Stummschalten der Engramm-Oxytocin-Neuronen durch. Sie fanden heraus, dass derselbe Schaltkreis auch erforderlich ist, um die Angstgedächtnisse wieder zu löschen.
Bemerkenswerterweise erfahren diese Zellen eine enorme Formbarkeit (Plastizität). Bei Angstzuständen wechseln sie von einer langsamen Übertragung, die durch das Neuropeptid Oxytocin vermittelt wird, zu einer schnellen Reaktion durch die schnell aktivierende Glutamatübertragung.
Kann das Angst-Gedächtnis gelöscht werden?
Durch das Verständnis der anatomischen und funktionellen Angstschaltungen sollte es möglich sein, innovative Strategien zur Behandlung von psychischen Erkrankungen des Menschen zu entwickeln, meinen die Forscher. Womöglich wird es eines Tages möglich sein, das Angstgedächtnis zu löschen.
Ein pathologisches Angstgedächtnis liegt zum Beispiel bei Angststörungen und insbesondere bei posttraumatischen Belastungsstörungen vor. Die Studie erschien im Fachmagazin Neuron.
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