Johanniskraut liefert Steilvorlage für neuen Wirkstoff gegen Depressionen
Seit Jahrhunderten wird Johanniskraut zur Stimmungsaufhellung und Behandlung von leichten bis mittelschweren Depressionen angewandt. Inzwischen weiß man, dass der im Johanniskrautextrakt enthaltene Wirkstoff Hyperforin bei der Regulierung von Neurotransmittern wie Serotonin, Dopamin und Noradrenalin hilft. Und genau das wollen sich Forscher der Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) zu Nutze machen. In den kommenden drei Jahren wollen sie Hyperforin im Labor so weiterentwickeln, dass er stabiler und wirksamer wird und auch bei starken Depressionen eingesetzt werden kann. „Der entscheidende Ansatz für uns ist, dass die antidepressive Wirkung des Hyperforins auf der Aktivierung eines Ionenkanals, des TRPC6-Kanals, beruht – im Unterschied zu den Medikamenten, die sich aktuell auf dem Markt befinden“, erklärt Prof. Dr. Kristina Friedland, Inhaberin des Lehrstuhls für Molekulare und Chemische Pharmazie an der FAU. „Leider ist der natürliche Extrakt nicht so potent, dass er auch bei starken Depressionen erfolgreich eingesetzt werden kann. Außerdem löst Hyperforin die Bildung des Enzyms CYP3A4 aus, einem wichtigen Bestandteil der Verstoffwechslung. Dies kann zu problematischen Arzneimittelinteraktionen führen. Und es ist instabil, wenn man es aus dem Extrakt isoliert“, so die Pharmazeutin.
Hyperforin-Analoga soll weniger Interaktion mit anderen Arzneimitteln haben
Die Erlanger Pharmazeuten wollen deshalb sogenannte Hyperforin-Analoga entwickeln und testen. Das sind chemisch hergestellte Wirkstoffe, die sich an der Struktur des Hyperforins orientieren. Kristina Friedland: „Wir suchen Derivate, die deutlich stabiler und wirksamer sind als der natürliche Wirkstoff des Johanniskrauts und zudem weniger mit anderen Arzneimitteln interagieren.“ Für die Entwicklung einer solchen Leitstruktur in den kommenden drei Jahren stellt das BMBF der Erlanger Forschergruppe 184.000 Euro Forschungsmittel zur Verfügung. Die Wirksamkeit der Hyperforin-Analoga soll unter anderem an Zellmodellen und im Tierversuch getestet werden.
Transnationale Forschungsverbund geht auch den molekularen Ursachen von Depressionen auf den Grund
Das Projekt ist Teil des europäischen Forschungsverbundes „HYPZITRP“. HYP steht für Hyperforin, ZI für Zink und TRP für TRPC6-Kanäle. Der transnationale Verbund arbeitet nicht nur an der Entwicklung von Antidepressiva, sondern auch daran, die molekularen Mechanismen und die krankheitsbedingt veränderte Kommunikation von Nervenzellen im Gehirn zu verstehen. So erforscht eine Arbeitsgruppe am CEA in Grenoble (Frankreich) die Rolle von Zink: Denn an Depressionen erkrankte Menschen haben nachweislich weniger Zink in ihren Zellen als gesunde. Eine Forschergruppe an der Universität Krakau (Polen) untersucht indes die Wirkung der Hyperforin-Analoga im Tiermodell auf TRPC6-Kanäle – durch diese Ionenkanäle werden Nervenzellen aktiviert und neurologische Reaktionen ausgelöst. Kristina Friedland: „Über die Pathophysiologie der Depression wissen wir im Augenblick zu wenig. Aber dieses Verständnis ist wichtig für die Entwicklung stabiler, hochwirksamer und nebenwirkungsfreier Medikamente.“
Foto: © M. Schuppich - Fotolia.com