Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Jedes zehnte Kind erhält zu niedrige Medikamentendosis

Samstag, 9. November 2013 – Autor:
Eltern wollen ihre Kinder oft vor Nebenwirkungen schützen und dosieren die Medikamente zu niedrig. Aber gerade die Unterdosierung kann den Nachwuchs gefährden, besonders bei Antibiotika. Davor warnen jetzt Ärzte der Universitätskinderklinik Erlangen.
Jedes zehnte Kind erhält zu niedrige Medikamentendosis

Mit zu niedrigen Medikamentendosierungen erweisen Eltern ihren Kindern einen Bärendienst

Jedes zehnte Kind wird falsch behandelt, und zwar von den eigenen Eltern. Das fanden Ärzte und Wissenschaftler der Kinder- und Jugendklinik des Universitätsklinikums Erlangen und des Robert Koch-Instituts in einer Studie heraus. Demnach verabreichen in 10 bis 15 Prozent der Fälle Eltern ihren Kindern eine zu geringe Medikamentendosis, weil sie ihre Kinder möglichst wenig schädigen wollen. Doch was gut gemeint ist, ist nicht immer gut. Bei Arzneimitteln sogar gefährlich.

Studienleiterin PD Dr. Antje Neubert von der Erlanger Universitätskinderklinik: „Durch die verminderte Gabe von Arzneien bleibt die Wirkung oft aus. Das ist insbesondere bei Antibiotika fatal, weil so Resistenzen erzeugt werden.“ Zudem schützen auch niedrige Dosierungen nicht vor Nebenwirkungen. Im schlimmsten Fall muss das Kind unerwünschte Arzneimittelwirkungen in Kauf nehmen, obwohl es keinen therapeutischen Nutzen von dem Medikament hat.

Jedes fünft Antibiotikum wird von den Eltern falsch dosiert

Die Studie zeigte, dass sogar jedes fünfte Antibiotikum bei Kindern in zu niedriger Dosierung verabreicht wird. „Möglicherweise passiert den Kindern nicht viel, weil die Anwendung doch nicht notwendig war“, meint Neubert. Zu häufig und zu niedrig dosiert eingesetzt, komme es jedoch schnell zur Bildung von Resistenzen. „Ein Problem, das mittlerweile eine gefährliche Entwicklung nimmt“, sagt die Wissenschaftlerin. Die ursprüngliche Intention der Eltern, ihr Kind zu schützen, drifte dadurch in eine ganz andere Richtung: „Der therapeutische Effekt bleibt aus, unerwünschte Wirkungen treten trotzdem auf und bisher wirksame Therapien stehen zukünftig möglicherweise nicht mehr zur Verfügung.“ Kinder bekommen sogar Medikamente, die nicht für sie zugelassen sind. Denn nicht alle Medikamente sind in allen Altersgruppen hinreichend untersucht. Gut ein Drittel der eingenommenen Medikamente hatte keine Zulassung für Kinder. Auch dieser so genannte Off-Label-Use stelle ein erhebliches Risiko für Kinder dar, heißt es in einer Mitteilung der Uni Erlangen. „Anders als wir von Verordnungsdaten wissen, fand sich eine deutlich erhöhte Anzahl von Medikamenten, die nicht zulassungskonform von den Kindern eingenommen wurde“, so Antje Neubert.

Eltern wollen ihre Kinder vor Schaden bewahren und bewirken das genaue Gegenteil

Neuberts Fazit: „Wir nehmen an, dass Eltern aus Angst vor unerwünschten Arzneimittelwirkungen lieber etwas weniger Arzneimittel geben, als vom Arzt verordnet wurde oder als in der Packungsbeilage zu lesen ist. Ganz vorenthalten will man das Medikament dann aber schließlich doch nicht.“ Hier sei dringende Aufklärung der Eltern gefragt.

Die Wissenschaftler werteten für ihre Studie Daten der KIGGS-Studie des Robert Koch-Instituts aus. In der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland wurden über 17.000 Kinder und Jugendliche bzw. deren Eltern systematisch zu ihrer Medikamenteneinnahme in der vergangenen Woche befragt.

Foto: AOK Mediendienst

Hauptkategorie: Gesundheitspolitik
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Arzneimittel , Antibiotika , Kinder

Weitere Nachrichten zum Thema Kindergesundheit

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin