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Innovationsreport 2014: Neue Medikamente nur selten innovativ

Donnerstag, 3. April 2014 – Autor:
Der neue Innovationsreport 2014 der Techniker Krankenkasse bescheinigt den meisten neuen Arzneimitteln keinen therapeutischen Fortschritt. In 2011 hätten nur drei von 20 neu eingeführten Medikamenten tatsächlich einen Zusatznutzen gehabt.

Sieben von 20 neuen Wirkstoffen sind im Innovationsreport 2014 durchgefallen

Für den Innovationsreport 2014 hat das Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen (ZeS) im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) 20 Wirkstoffe untersucht, die 2011 auf den deutschen Markt gelangten, also im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz AMNOG. Nur drei Wirkstoffe stuften die Bremer Forscher um Professor Dr. Gerd Glaeske als therapeutischen Fortschritt ein. Dabei handelt es sich um die Wirkstoffe Ticagrelor (zur Behandlung des akuten Koronarsyndroms), Tafamidis (zur Behandlung der Transthyretin-Amyloidose) und Abirateron (zur Behandlung des metastasierten Prostatakarzinoms). Weitere zehn Wirkstoffe bewertete das ZeS als begrenzt innovativ, sieben Wirkstoffe als nicht innovativ. Und das obwohl alle untersuchten Wirkstoffe die frühe Nutzenbewertung des G-BA durchlaufen hatten. Kritisch weist der Report auch darauf hin, dass Hersteller für acht der 20 Wirkstoffe im Nachhinein Warnhinweisschreiben verschicken mussten, unter anderem Rote-Hand-Briefe. „Eine einmalige Bewertung neuer Arzneimittel reicht im Grunde nicht aus“, sagt TK-Chef Dr. Jens Baas. „Was wir brauchen, sind weitere Spätbewertungen mit Erfahrungen aus dem Versorgungsalltag - in der Medizin würde man sagen: Nachuntersuchungen -, um den tatsächlichen Nutzen neuer Medikamente besser einschätzen zu können."

Auch die Kosten für ein neues Arzneimittel wurden bewertet

Für die Untersuchung haben Glaeske und sein Team drei Aspekte unter die Lupe genommen. Erstens, ob es bereits verfügbare Therapien zur Behandlung der jeweiligen Krankheit gibt. Zweitens, ob der Wirkstoff tatsächlich einen relevanten Zusatznutzen vorweisen kann. Und drittens, ob die Kosten höher oder niedriger im Vergleich zu vorhandenen Therapien ausfallen. „Die Ergebnisse zu den Auswertungen für das Jahr 2011 fallen insgesamt betrachtet eher bescheiden aus“, sagt Glaeske. „Da tröstet es kaum, dass der Jahrgang 2010 noch schlechter abgeschnitten hat." Damals hatte Glaeskes Team keinem einzigen Wirkstoff einen Zusatznutzen zugesprochen. Durch das AMNOG werde sich die Situation aber in den kommenden Jahren sehr wahrscheinlich verbessern, meinte Glaeseke.

Innovationsreport: Ärzte verordnen oft bei den falschen Indikationen

In den Innovationsreport sind auch Routinedaten der TK zur Verordnung von Arzneimitteln aus den Jahren 2011 und 2012 geflossen. Hier bemängelt der Report, dass Ergebnisse der AMNOG-Bewertungen noch nicht eins zu eins in der Versorgung ankämen. So werde beispielsweise der erste bewertete AMNOG-Wirkstoff Ticagrelor noch immer bei jedem dritten Patienten falsch eingesetzt. Den Autoren zufolge bedeutet das, dass das Medikament verordnet wird, auch wenn für die zu behandelnde Krankheit kein Zusatznutzen nachgewiesen werden konnte.

Die Kritik der TK, die frühe Nutzenbewertung sei nicht ausreichend, wies der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) unterdessen zurück. „Die Forderung der Techniker Krankenkasse, neue Arzneimittel sollten auch nach einer frühen Nutzenbewertung weiteren Bewertungen unterzogen werden, ist richtig, wenn zum Zeitpunkt der Nutzenbewertung noch Evidenzlücken vorliegen“, teilte der G-BA Vorsitzende Josef Hecken am Mittwoch mit. In diesen Fällen befriste der G-BA seine Beschlüsse jedoch bereits regelhaft – insofern sei eine Folgebewertung schon längst geübte Praxis. Unabhängig davon habe der pharmazeutische Unternehmer bei neuer Evidenzlage ohnehin die Möglichkeit, nach einem Jahr eine weitere Bewertung eines Arzneimittels zu beantragen.

Foto: © Dan Race - Fotolia.com

Hauptkategorie: Gesundheitspolitik
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