Immuntherapie bei Krebs: Bakterien locken Killerzellen an
Immuntherapien machen sich das körpereigene Abwehrsystem bei der Krebsbekämpfung zu Nutze. Verschieden Krebsmittel, die auf das Immunsystem wirken, sind bereits auf dem Markt und wecken große Hoffnungen. Nun haben Forscher des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) einen natürlichen Feind von Krebszellen wiederentdeckt: Bakterien. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts haben Mediziner einen positiven Einfluss von bakteriellen Infektionen auf Krebspatienten beobachtet. Obwohl in den letzten Jahren eine Reihe von Bakterien als Mittel gegen Krebsgeschwüre getestet wurden, blieb der Durchbruch dieses Therapieansatzes bislang jedoch aus. So wusste man bisher nicht, wie genau die Bakterien gegen den Tumor wirken und was die Rolle des Immunsystems in diesem komplexen Gefüge ist. Hinzukommt, dass der Einsatz von Bakterien nicht ganz ungefährlich ist. Salmonellen sollen beispielsweise eine ausgeprägte Anti-Tumor-Aktivität haben, können aber auch zu einer Blutvergiftung führen.
Bakterien helfen T-Zellen auf die Sprünge
In einer Studie mit Mäusen konnten die Infektionsforscher vom Braunschweiger Helmholtz-Zentrum nun wichtige Erkenntnisse gewinnen. Die Forscher interessierte dabei weniger, wie die Bakterien gegen den Tumor wirken, sondern wie das Immunsystem daran beteiligt ist. „Wir haben T-Zellen als entscheidenden und unerlässlichen Zelltyp für die Tumorbekämpfung in Mäusen identifiziert. Alle anderen in Frage kommenden Zellen des Immunsystems konnten wir weitgehend ausschließen“, sagt Dr. Siegfried Weiß, Leiter der Abteilung „Molekulare Immunologie“ am HZI.
Immuntherapie
Laut Weiß spielen die Bakterien selbst eine viel geringere Rolle als bisher angenommen. Sie leisten lediglich Starthilfe für die körpereigene Abwehr: „Die Infektion löst eine Immunreaktion aus, bei der der Botenstoff TNF-alpha freigesetzt wird. Dadurch werden im Tumor Blutgefäße zerstört und er stirbt teilweise ab“, erläutert der Infektionsforscher. Außerdem würden gegen den Tumor gerichtete T-Zellen (Killerzellen) aktiviert, die bereits vor der Infektion vorhanden sind, sich aber in einem Ruhezustand befinden. Getrieben durch die Bakterien griffen diese gezielt den restlichen Tumor an und können ihn sogar komplett auflösen.
In der Studie konnten die Wissenschaftler zeigen, dass geheilte Mäuse dadurch eine spezifische Immunität gegen die Tumorzellen entwickeln. „Kommt es also erneut zu der Entwicklung desselben Tumors wie zum Beispiel bei Metastasierung, sollten diese ebenfalls abgestoßen werden“, sagt Stern.
Perfektes Bakterium gegen Krebs ist noch nicht gefunden
Bei den T-Zellen wird zwischen zytotoxischen T-Zellen und T-Helferzellen unterschieden. Erstere sind auf das Abtöten von infizierten oder entarteten Zellen spezialisiert, letztere haben üblicherweise nur eine Vermittlerrolle und greifen nicht aktiv derartige Zellen an. In den Experimenten konnten die Wissenschaftler aber zeigen, dass auch die T-Helferzellen allein in der Lage waren, Tumore zu zerstören.
„Bisher ist das perfekte Bakterium für die Behandlung von Krebs noch nicht gefunden“, fasst HZI-Wissenschaftler Dr. Christian Stern, Erstautor der Studie, zusammen. „Wir konnten aber erstmals genauer zeigen, welchen Beitrag das Immunsystem in der Bakterien-vermittelten Tumortherapie leistet und dass sich ein wirkungsvolles immunologisches Gedächtnis ausbildet. Das bessere Verständnis kann den Wissenschaftlern zufolge dabei helfen, die Therapie eines Tages auch beim Menschen anzuwenden. Die Erkenntnisse wurden im International Journal of Cancer veröffentlicht.
Foto: © Jezper - Fotolia.com