Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Immer mehr Patienten infizieren sich mit multiresistenten Krankenhauskeimen

Freitag, 24. Mai 2013 – Autor:
Infektionen durch multiresistente Keime (MRE) im Krankenhaus sind längst keine Einzelfälle mehr. Laut HKK-Gesundheitsreport hat sich die Zahl der MRE-Infektionen seit 2007 mehr als verdoppelt. Eine bundesweite Hochrechnung geht von 90.000 Fällen pro Jahr aus.
Immer mehr Patienten infizieren sich mit multiresistenten Krankenhauskeimen

Kliniken sollen bis 2016 über 300 Millionen für Hygienemaßnahmen bekommen

Für ihren aktuellen Gesundheitsreport hat die Krankenkasse HKK Daten ihrer Versicherten aus Nordwest Niedersachsen und Bremen auswerten lassen. Demnach ist in den Jahren 2007 bis 2011 die Zahl der HKK-Versicherten, die im Krankenhaus eine Infektion erlitten, von 3,1 auf 6,3 Prozent gestiegen. Betrachtet man nur die Zahl der Infektionen mit multiresistenten Keimen (MRE), so wurden diese im Jahr 2007 in 271 Krankenhausfällen nachgewiesen, während es 2011 bereits 619 Fälle waren. Damit hat sich auch der Anteil der MRE-Infektionen an allen Krankenhausfällen in fünf Jahren mehr als verdoppelt. Zu 65,6 Prozent handelte es sich nach HKK-Angaben dabei um MRSA-Infektionen, die ohne Krankheitssymptome verliefen. Betroffen waren vorwiegend ältere Menschen: 49 Prozent aller MRE-infizierten Krankenhausfälle betrafen Patienten im Alter von 70 bis 89 Jahren.

Fast drei Viertel der MRE-Infektion gehen auf MRSA zurück

„Auch wenn die absolute Zahl nachgewiesener MRE-Fälle vergleichsweise gering ist: Es besteht dringender Handlungsbedarf, um eine deutliche Senkung der MRE- bzw. MRSA-Quoten in Deutschland zu erreichen“, sagt Studienautor Dr. Bernard Braun vom Bremer Institut für Arbeitsschutz (BIAG). Er forderte ein strukturiertes Gesamtkonzept, in das Experten aus der Pflege, der Medizin, der Biologie, den Krankenhäusern und der fleischproduzierenden Landwirtschaft einbezogen werden. Die niederländische MRSA-Strategie sei ein Musterbeispiel für gelungen Infektionsprävention. Ein erster, vergleichsweise bescheidener Schritt wurde auch in Deutschland getan: Das Hygiene-Förderprogramm soll Krankenhäuser mit 350 Millionen Euro für die Jahre 2013 bis 2016 entlasten. Damit sollen die Häuservor allem mehr ärztliches und pflegerisches Hygienepersonal einstellen können und für deren Weiterbildung sorgen, wie es im Hygienegesetz ab 2016 gefordert wird.

Infektionen mit multiresistenten Keimen ziehen erhebliche Folgekosten nach sich, die auf längere Liegezeiten, Personal- und Sachkosten für qualifiziertes Hygienepersonal, Isolier- und Sanierungsmaßnahmen sowie Schutzkleidung zurückgehen. Überraschenderweise sank der Anteil derartiger Komplexbehandlungen an allen MRE-Fällen im Untersuchungszeitraum von 58 auf rund 42 Prozent, beziehungsweise bei MRSA-Infektionen von 73 auf 58 Prozent. „Über die Gründe können wir nur spekulieren", meint Dr. Bernard Braun. „Entweder hat die Schwere der Fälle abgenommen, so dass aufwendige Maßnahmen aus Sicht der Krankenhäuser nicht notwendig sind. Oder viele Krankenhäuser sind weder personell noch baulich und infrastrukturell in der Lage, derartige Leistungen zu erbringen."

Bundesweite Hochrechnung: mehr als 10.000 Tote jährlich durch Krankenhaus-Infektionen

Laut einer Hochrechnung der 2012 veröffentlichten ALERTS-Studie am Sepsis-Forschungs- und Behandlungszentrum der Universität Jena erkranken in Deutschland 4,3 Prozent aller Krankenhauspatienten während ihres Aufenthaltes an einer Infektion. Dies entspricht jährlich zwischen 400.000 und 600.000 Fällen, die bei 10.000 bis 15.000 Patienten zum Tod führen. Davon werden schätzungsweise 15 Prozent durch multiresistente Krankheitserreger (MRE) verursacht. Weitere Studien bestätigen diese Ergebnisse im Wesentlichen. MRE verdanken ihren Namen der Eigenschaft, dass sie gegen zahlreiche Antibiotika immun sind. MRE kommen nicht nur im Krankenhaus, sondern in der gesamten Umwelt vor und stellen für gesunde Menschen meist keine Gefahr dar - ganz im Gegensatz zu Menschen mit einem geschwächten Immunsystem. Unter allen MRE tritt der MRSA-Erreger (Methicillin-Resistenter Staphylococcus Aureus) am häufigsten auf.

Foto: © westfotos.de - Fotolia.com

Hauptkategorien: Gesundheitspolitik , Medizin
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Infektionskrankheiten , Nosokomiale Infektion , MRSA , Multiresistente Erreger , Krankenhauskeime

Weitere Nachrichten zum Thema Hygiene

Krankenhauskeime sind nach wie vor ein großes Problem des deutschen Gesundheitssystems. Allein in Berliner Krankenhäusern sind in den vergangenen Jahren 534 Menschen daran vestorben. Das geht aus einer Antwort der Gesundheitsverwaltung auf die Anfrage eines CDU-Abgeordneten hervor.

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Kliniken
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin