Höhere Alkoholsteuern – weniger neue Krebsfälle
„In der Gesellschaft herrscht eine weit verbreitete unkritisch positive Einstellung zum Alkohol vor“: Dieses Bild zeichnet ein Positionspapier des Bundesinnenministeriums zum Umgang der Deutschen mit dem Alkohol. Rund zehn Liter reiner Alkohol verleiben sich die Deutschen pro Kopf im Jahr durchschnittlich ein. Auch wenn der Trend gegenüber den Vorjahren leicht rückläufig ist: Im internationalen Vergleich liegt Deutschland im internationalen Vergleich unverändert im oberen Zehntel.
Alkohol-Folgekosten: Achtmal so hoch wie der Umsatz der Brauwirtschaft
Die volkswirtschaftlichen Kosten durch Alkohol betragen laut „Jahrbuch Sucht“ der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) rund 57 Milliarden Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Das ist gut achtmal so viel wie der Jahresumsatz der deutschen Brauwirtschaft. Wäre in dieser Zahl neben dem Inlands- nicht auch noch das Auslandsgeschäft enthalten – das Missverhältnis fiele noch deutlicher aus.
Europa: Weltweit höchster Pro-Kopf-Konsum von Alkohol
Anders als vor allem in skandinavische Länder mit teils horrenden Alkoholkonsumsteuern, gilt Deutschland gemeinsam mit anderen Ländern Europas für Alkoholliebhaber aus dem als eine Art von Paradies. „Europa ist die Region mit dem weltweit höchsten Pro-Kopf-Konsum von Alkohol“, heißt es bei der TU Dresden. Um den Alkoholkonsum und die einhergehenden Folgeerkrankungen zu reduzieren, stellte die Erhöhung der Verbrauchssteuern auf alkoholische Getränke aber laut Uni Dresden aber „eine vielversprechende Maßnahme dar“.
Höhere Alkoholsteuern: als Gesundheitsmaßnahme „billig und effektiv“
Höhere Alkoholsteuern zählen neben anderen Maßnahmen, wie einem Werbeverbot für alkoholische Getränke oder der reduzierten Verfügbarkeit von Alkohol, zu den sogenannten „Best Buys“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Damit gemeint sind gesundheitspolitische Maßnahmen, die besonders kosteneffektiv zur Verringerung der durch einen Risikofaktor verursachten Krankheitslast beitragen – in diesem Fall: Alkohol.
Modellierungsstudie mit verschiedenen Alkohol-Steuersätzen
In Europa und insbesondere der Europäischen Union sind die Alkoholsteuern jedoch oft sehr gering. Wissenschaftler der Uni Dresden haben jetzt den „Was wäre, wenn…“-Fall durchgespielt, nämlich: Welche Auswirkungen hätte eine Erhöhung der aktuellen Verbrauchssteuern auf alkoholische Getränke auf alkoholbedingte Krebserkrankungen in der Europäischen Region? Mittels mathematischer Modelle schätzten die Wissenschaftler:innen die Auswirkungen von drei verschiedenen Steuererhöhungsszenarien (20 Prozent, 50 Prozent und 100 Prozent) auf den Pro-Kopf-Alkoholkonsum in 50 Mitgliedstaaten der „Europäischen Region“ (laut WHO-Definition).
Krebsarten, die eng mit Alkohol zusammenhängen:
Unter der Annahme einer durchschnittlichen Verzögerungszeit von zehn Jahren zwischen dem Alkoholkonsum und der Krebserkrankung beziehungsweise dem tödlichen Ausgang der Erkrankung konnten anschließend die Anzahl vermeidbarer Neuerkrankungen sowie Todesfälle für das Jahr 2019 geschätzt werden. Das Team berücksichtigte dabei sieben verschiedene Krebserkrankungen, die eng mit dem Konsum von Alkohol zusammenhängen:
- Lippen- und Mundhöhlenkrebs
- Rachenkrebs
- Kehlkopfkrebs
- Speiseröhrenkrebs
- Leberkrebs
- Darmkrebs
- sowie bei Frauen Brustkrebs.
Die Ergebnisse zeigen für die EU-Region Europa dass mehr als 10.700 neue Krebserkrankungen und 4.850 Todesfälle vermeidbar gewesen wären, wenn die aktuellen Verbrauchssteuern verdoppelt wären worden. Dies entspricht fast 6 Prozent der alkoholbedingten Krebs-Neuerkrankungen in der Region.
Krebs durch Alkohol in Deutschland: Meist Brust- und Darmkrebs
6,7 Millionen Erwachsene zwischen 18- bis 64-jährigen in Deutschland konsumieren laut Innenministerium Alkohol in gesundheitlich riskanter Form. Laut dem Epidemiologischen Sucht-Survey (ESA) können etwa 1,6 Millionen Menschen dieser Altersgruppe als alkoholabhängig gelten. Zudem ist missbräuchlicher Alkohol einer der wesentlichen Risikofaktoren für zahlreiche chronische Erkrankungen (wie Krebserkrankungen, Erkrankungen der Leber und Herz-Kreislauf-Erkrankungen) und für Unfälle.
Analysen gehen von jährlich etwa 74.000 Todesfällen durch Alkoholkonsum allein oder bedingt durch den kombinierten Konsum von Alkohol und Tabak aus. In Deutschland könnten laut der Studie bei einer Verdopplung der aktuellen Alkoholsteuern mehr als 1.200 Krebserkrankungen und 525 Todesfälle vermieden werden. Mit mehr als zwei Dritteln handelt es sich bei den meisten dieser vermeidbaren Erkrankungsfälle um Brust- und Darmkrebs.
„In Deutschland sind die Verbrauchssteuern für alkoholische Getränke, insbesondere für Bier und Wein, besonders gering. Während für eine große Flasche Bier circa fünf Cent auf die Biersteuer entfallen, so ist keine extra Besteuerung von Wein vorgesehen. Angesichts der hohen Zahl an vermeidbaren alkoholbedingten Krebserkrankungen wäre es mehr als ratsam, die Alkoholsteuern insbesondere in Deutschland zu erhöhen“, empfiehlt TUD-Psychologin Carolin Kilian.